Predigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis (B)
Evangelium: Joh. 6, 51 - 58
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Schon zum vierten Mal hören wir heute als Evangelium
einen Abschnitt aus dem 6. Johannes-Kapitel.
Dieses Kapitel kreist um die zentrale Aussage Jesu:
“Ich bin das Brot des Lebens.”

Bereits am vergangenen Sonntag führte Jesus
dieses Brotwort weiter aus:
“Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.
Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben.
Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch,
ich gebe es hin für das Leben der Welt.”
Diesen Vers greift das heutige Evangelium noch einmal auf.
Daran knüpft dann ein Streitgespräch Jesu mit “den Juden” an
über die Frage, wie das denn möglich sein soll,
das “Fleisch des Menschensohnes zu essen und sein Blut zu trinken”.

Das ist zugleich der Höhepunkt
des ganzen Kapitels im Johannesevangelium.
Deswegen nennt man es auch das Eucharistie-Kapitel.
Um die Eucharistie soll es auch in dieser Predigt gehen -
ein nicht ganz einfaches Unterfangen, da die Eucharistie
“der Inbegriff und die Summe unseres Glaubens” 1 ist.
Dementsprechend hat die Theologie
durch zwei Jahrtausende hindurch das Verständnis der Eucharistie
in alle denkbaren Richtungen detailliert ausgefeilt.
Sehr ausführlich stellt der aktuelle römische Katechismus
die Lehre der katholischen Kirche zur Eucharistie dar.
Da findet die komprimierte Theologie von zwei Jahrtausenden
ihren Niederschlag.
Das alles jedoch nachvollziehbar darzulegen,
kann nicht Sache einer schlichten Predigt sein -
zumal da die Sprache der überlieferten Theologie
nicht unsere Sprache ist.

Versuchen wir daher einfach,
das heutige Evangelium ein wenig besser zu verstehen,
und in unserer Sprache wiederzugeben,
was es uns über die Eucharistie
als Mitte unseres Glaubens zu sagen hat.
Und vergessen wir nicht, was wir Sonntag für Sonntag
im Zentrum der Eucharistiefeier bekennen:
Es geht um das “Geheimnis des Glaubens”.

1.    Die wichtigste Aussage lautet:
Wer sich auf die Feier der Eucharistie wirklich einläßt,
der bleibt in Christus und Christus bleibt in ihm.
Da geht es um eine innere Verbundenheit auf Gegenseitigkeit,
wie wir sie uns inniger nicht vorstellen können -
um eine personale Vereinigung also,
die nur durch eine ebenso wenig vorstellbare Liebe möglich ist.
Die Formulierung “Essen” und “Trinken”
bringt dieses liebevolle Ineinander-Aufgehen
fast schon drastisch zum Ausdruck.
Diese Formulierung kommt der uns vertrauten,
ebenfalls drastischen Redewendung sehr nahe:
“Ich habe dich zum Fressen gern!”
Im gleichen Sinne bezeichnet Paulus immer wieder
das Sein des Christen als ein Sein “in Christus”.
Dieses “Sein in Christus” lebt nicht zuletzt von der Eucharistie.

2.    Ganz zentral ist sodann in unserem Evangelium
das Stichwort ‘Leben’:
Wer von dem “lebendigen Brot”, das Christus uns gibt, ißt,
hat das Leben, ja sogar “ewiges Leben” in sich.
Und dann noch einmal ganz massiv:
“Jeder, der mich ißt, wird durch mich leben.”
Wir erlangen in der Eucharistie das Leben,
weil uns die innigst denkbare Vereinigung geschenkt wird
mit demjenigen, der das Leben selbst ist,
und von dem alles Leben ausgeht.

3.    Wie nun dieses “Essen” und “Trinken” praktisch vor sich geht,
wird in den anderen drei Evangelien konkret dargestellt:
In den Berichten von der Einsetzung des Abendmahles.
Da wird also das “Essen” und “Trinken” eingebunden
in die Kultur eines Mahles im Kreis von Menschen,
die auch untereinander verbunden sind.
Eucharistie hat also nicht nur eine vertikale Dynamik
zwischen dem einzelnen Menschen
und dem göttlichen Ursprung des Lebens.
Da ist vielmehr zugleich
die horizontale Verbundenheit der Gemeinschaft all derer,
die miteinander der Einladung des Herrn folgen.
Eucharistie ist in diesem Sinne ein ‘kirchliches’ Sakrament.
Es begründet und dokumentiert die Einheit derer,
die miteinander Mahl halten
und miteinander am “Brot des Lebens” teilhaben.

4.    Sie wissen, daß sich daran
die immer wieder aktuelle Auseinandersetzung aufhängt:
Ist in einer pluriformen Kirche aus mehreren Konfessionen,
in einer Kirche also, die eben nicht in allem eines Sinnes ist,
dennoch die gemeinsame Feier des Herrenmahles
oder doch wenigstens die gegenseitige Einladung dazu möglich?
Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab,
was der Antwortende in den Vordergrund stellt:
Die Dokumentation der vollendeten Einheit
oder die Grundlegung und Vertiefung einer wachsenden Einheit.
Wir alle wissen, und viele leiden darunter,
daß in der katholischen Kirche ‘offiziell’
die gemeinsame Eucharistiefeier
vor allem als Zeichen vollendeter Einheit angesehen wird.
Man könnte diese vorherrschende Auffassung
allerdings auch als eine Art von ‘Perfektionismus’ ansehen,
der zu wenig die menschliche Begrenztheit
auch von Kirche in Rechnung stellt.

Persönlich möchte ich die Eucharistie lieber verstehen
als eine von Jesus Christus uns geschenkte Hilfe, mehr und mehr
in die von Christus selbst erflehte Einheit hineinzuwachsen.
So gesehen, wäre die gegenseitige Einladung zur Eucharistie
ein Zeichen lebendiger Hoffnung,
daß das Gebet Jesu um Einheit mehr und mehr in Erfüllung geht:
Laß sie eins sein, “wie du, Vater, in mir bist,
und ich in dir bin”. (Joh. 17, 21)
So habe ich selbst nicht selten all diejenigen eingeladen,
“die mit uns an die lebendige Gegenwart Jesu Christi
unter den Zeichen von Brot und Wein glauben”.
Diese Formulierung ist dann auch für Katholiken
eine Einladung, ihren eigenen Glauben und ihre Praxis
der Teilnahme am Tisch des Herrn selbstkritisch zu reflektieren.

5.    Zurück zum Evangelium:
Herausheben möchte ich noch Jesu Wort:
“Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch;
ich gebe es hin für das Leben der Welt.”
Es dürfte schon klar geworden sein,
daß die Worte “Fleisch” und “Leib” oder auch “Blut”
nach biblischem Sprachgebrauch
jeweils für den ganzen Menschen
und für die Person des “Menschensohnes” stehen.
“Ich gebe mein Fleisch hin für das Leben der Welt”
bedeutet also in einer gewiß zugespitzten
und vielleicht sogar bewußt provozierenden Formulierung:
“Ich gebe mich selbst und zwar mit meinem ganzen Leben hin
für das Leben der Welt.”

In der Tradition der Kirche
- beginnend mit der Theologie des Paulus -
wird diese Selbsthingabe Jesu als “Opfer” bezeichnet.
Dementsprechend wird die Eucharistiefeier
auch ‘Meßopfer’ genannt.
So zutreffend diese Redeweise (recht verstanden) auch ist -
ich bin nicht sicher, ob Jesus selbst sie gewählt hätte.
Jedenfalls stellt uns das Wort ‘Opfer’
- wie etliche andere traditionsreiche Begriffe - vor die Problematik,
Worte aus anderen kulturellen oder religiösen Zusammenhängen
angemessen in die Sprachgewohnheiten
unserer Zeit und unserer Kultur zu übertragen.
Daher möchte ich hier lieber festhalten an dem,
was Jesus selbst sagt: ‘Hingabe’.
Er hat dabei nicht nur den drohenden Tod am Kreuz vor Augen.
Er denkt wohl ebenso sehr an Sein ganzes Leben
im Dienst an den Menschen und zumal an denen,
die Er die Kleinen und Schwachen nennt.
Sein ganzes Leben, Seine ganze Existenz
ist Hingabe an die Menschen
im Dienst ihrer Erlösung von all dem,
was sie den Mächten des Todes ausliefert.
Diese Hingabe gipfelt schließlich in Seinem Tod am Kreuz.
Aber wie Sein Tod am Kreuz findet auch Sein Leben insgesamt
die Vollendung und Erfüllung im Licht des Ostermorgens.

Dementsprechend feiern wir in der Eucharistie
nicht eine - wenn Sie so wollen - ‘statische’ Gegenwart des Herrn.
Wir feiern vielmehr den dynamischen Prozeß
Seines Lebens, Sterbens und Auferstehens.
‘Gegenwärtig’ ist in der Eucharistie also
mit ‘Leib und Blut’ Jesu und mit Seiner ganzen Person
zugleich Seine ganze Geschichte,
Seine Hingabe für die Menschen,
Sein Dienst und Sein Engagement “für das Leben der Welt”.

Aus all diesen Aspekten von Eucharistie
könnten wir für die kommende Woche
einige Fragen mit in unseren Alltag nehmen:

1.    Wie intensiv ist eigentlich
meine persönliche Verbundenheit mit Jesus Christus,
und was bedeutet für mich das paulinische ‘In-Christus-Sein’?

2.     Leben und Lebensqualität haben in unserer Gesellschaft
einen hohen Stellenwert.
Haben diese Begriffe einen wesentlichen Bezug zu meinem Glauben?

3.    Wie wichtig ist es mir, in der sonntäglichen Eucharistiefeier
nicht nur meine Gemeinschaft mit Gott in Jesus Christus zu erfahren,
sondern in gleicher Weise das Miteinander von Gemeinde?

4.    Was hat für mich persönlich
unsere Eucharistiefeier hier in Sankt Peter mit Ökumene zu tun?
Steht sie im Dienst der Einheit der Kirche?

5.    In der Vergangenheit spielte das ‘Opfer’
eine zentrale Rolle für eine christliche Lebensführung.
Hat dieses Wort oder auch das Wort Jesu von der ‘Hingabe’
für meine persönliche Nachfolge Christi noch eine Bedeutung?   

Amen.

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1 Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1327