Predigt
zum 16. Sonntag im Jahreskreis C am 17. Juli 2016 |
Lesung:
Gen. 18, 1-10a Evangelium: Lk. 10, 38-42 Autor: P.Heribert Graab S.J. |
„Vergeßt die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“ (Hebr. 13,2) So heißt es im Hebräerbrief. Vor allem aber wird in der gesamten Heiligen Schrift immer wieder von praktisch gelebter Gastfreundschaft wie selbstverständlich berichtet. So auch in der Lesung und im Evangelium dieses Sonntags. Abraham ist mit seiner Großfamilie und mit allem Vieh als Nomade unterwegs und hat seine Zelte im Hain von Mamre nicht weit Hebron aufgeschlagen. Er gilt als Fremder in dieser Gegend. Eines Tages tauchen bei ihm zur Zeit der Mittagshitze drei unbekannte Männer auf. Anstatt sich vorsichtig und reserviert zurückzuhalten, eilt er ihnen entgegen, begrüßt sie in aller Ehrfurcht und lädt sie ein, zu bleiben und sich auszuruhen. Wasser bietet er ihnen an und Brot, wie es sich gehört. Aber statt einer „kleinen Stärkung“, von der er zunächst spricht, läßt er für sie ein „zartes, prächtiges Kalb“ zubereiten, und setzt es den Gästen vor mit reichlich Brot, Butter und Milch. Und anstatt sich zu ihnen zu setzen, versieht er selbst aufmerksam und mit großem Eifer den Tischdienst. Die Bibel erzählt gleich zu Beginn, Gott, der Herr, sei dem Abraham erschienen. Abraham selbst jedoch ahnt erst viel später, wer da bei ihm eingekehrt ist. Er hat es zunächst schlicht und einfach mit drei fremden Männern zu tun. Genau darauf nimmt der Hebräerbrief Bezug, wenn er sagt, einige hätten, ohne es zu ahnen, durch ihre Gastfreundschaft sogar Engel beherbergt. Mir scheint, wir Menschen im heutigen Europa sollten uns vom alten Abraham eine dicke Scheibe abschneiden! • Wenn ich mir die verschlossenen Türen bei uns anschaue, • wenn ich sehe, wie abgeschottet voneinander Menschen in manchen unserer anonymen Wohnviertel leben und oft vereinsamen, • wenn ich durch das ein oder andere Kölner Villenviertel gehe mit hohen Mauern, dichten Hecken, verriegelten Eisentoren und Überwachungskameras - dann scheint mir das ein regelrechter Kontrast zur biblischen Gastfreundschaft zu sein. Und dabei habe ich noch kein einziges Wort gesagt zur abweisenden Einstellung vieler Mitmenschen hier gegenüber Flüchtlingen. Werfen wir noch einen Blick auf das Evangelium und damit auf die Gastfreundschaft von Martha und Maria. Ja - die Gastfreundschaft von Martha u n d Maria! Denn von b e i d e n können wir lernen, was Gastfreundschaft bedeutet. Zunächst scheint es ja so, als ob ausschließlich Martha die Gastgeberin in Bethanien sei, und all die kleinen und großen ‚hausfraulichen‘ Aufgaben erledige, die nun einmal unumgänglich sind, wenn der Gast sich wohlfühlen soll. Martha selbst hat das wohl so gesehen und sich über ihre Schwester geärgert, die einfach nur ‚rumsitzt‘ und dem Meister an den Lippen hängt. Selbstverständlich erwartete sie von Jesus Unterstützung. Und vermutlich war sie über Seine Reaktion zutiefst enttäuscht: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“ Spontan interpretieren auch wir diese Worte als eine massive Kritik an Martha und an ihrem Dienst der Gastfreundschaft. Aber entspricht eine solch einseitige Kritik wirklich dem Wesen Jesu und Seiner Botschaft??? Der Evangelist Lukas scheint gespürt zu haben, daß da irgend etwas nicht stimmt: Er läßt - offensichtlich ganz bewußt - die Geschichte von Martha und Maria unmittelbar auf die Geschichte des barmherzigen Samariters folgen. Beide Geschichten gehören zusammen: Die erste Geschichte betont den engagierten Dienst des Samariters als das ‚einzig Notwendige‘; die zweite Geschichte stellt dann das aufmerksame und ganz gesammelte Hinhören der Maria auf die Botschaft Jesu als das ‚einzig Notwendige‘ heraus. Beides also ist wichtig und notwendig! Beides zusammen ist allerdings auch spannungsgeladen. Wie kann das also zusammengehen? • Im heutigen Evangelium kritisiert Jesus bei genauerem Hinsehen nicht wirklich den notwendigen Dienst der Gastfreundschaft. Er tadelt vielmehr die Art und Weise, in der Martha diesen Dienst versieht: Sie geht ganz darin auf; sie läßt sich hetzen von der Fürsorge um den Gast; sie möchte ihre Umtriebigkeit auch auf Maria übertragen und verbreitet im Grunde eine für alle ungastliche Atmosphäre. Sie übersieht bei all ihrem Werkeln den Gast selbst und daß der auch ihr Wichtiges mitteilen möchte. • Ähnliche Situationen können wir auch heute beobachten: Manche Gastgeber - nicht nur Hausfrauen – sind so sehr um ‚Gastfreundschaft‘ bemüht, daß der Gast selbst darüber in den Hintergrund tritt: In all der ‚gastfreundlichen‘ Geschäftigkeit bleibt kaum Zeit, sich dem Gast persönlich zuzuwenden, ihm zuzuhören, mit ihm in ein wirkliches Gespräch zu kommen. Aber genau das wäre eigentlich eine wenigstens so wichtige Seite von Gastfreundschaft wie z.B. die Sorge um Essen und Trinken. Und für diese Seite von Gastfreundschaft steht Maria! • Darüber hinaus enthält das Evangelium allerdings eine noch viel umfassendere Botschaft, die unser ganzes Leben als Christen betrifft: Es gibt eine Zeit, sich mit aller Kraft für seine Mitmenschen einzusetzen; es gibt aber auch eine Zeit, alle Geschäftigkeit loszulassen, um ‚gelassen‘ und ganz aufmerksam auf Gottes Wort hören. Es geht also darum zu erkennen, worauf es jeweils ankommt. Einüben sollten wir allerdings auch, gegebenenfalls beides miteinander zu verbinden, ein tätiges Leben mit einem meditativen in Einklang zu bringen. Eine Hilfe dazu könnte die benediktinische Tradition des ‚Ora et Labora‘ sein. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß diese geistliche Praxis gerade heute wieder viele Menschen anspricht: Beten und dann aus einer Grundhaltung des Gebetes die Erfordernisse des Alltags anpacken. Auch das ignatianische ‚Gott-finden-in-allem‘ steht im Dienste einer Rollen-Verknüpfung von Martha und Maria. • Den Alltag selbst und all seine Verpflichtungen zum Gebet machen. • Den Alltag aus der eigenen Mitte und aus dem Glauben heraus gestalten, anstatt sich in das Vielerlei des Alltags hinein zu verlieren und Werktag und Sonntag, Aktion und Kontemplation, Engagement nach außen und Aufmerksamkeit für mich selbst voneinander zu trennen. Konkret geht es darum z.B. bei den ‚Exerzitien im Alltag‘ oder auch bei den ‚Online-Exerzitien‘. Beide Exerzitienwege sprechen seit Jahren ebenfalls sehr viele Menschen an. Es geht insgesamt darum, in unserem arbeits- und leistungsorientierten Alltag ein Gespür dafür neu zu gewinnen, was Gott uns durch Sein Wort sagen möchte, und wie wir darauf antworten können: Im Gebet, in der Meditation, aber auch in allem, was wir tun. Amen. |