Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis C
am 16. Oktober 2016
Lesung:  Ex. 17, 8 - 13
Evangelium:  Lk. 18, 1 - 8
Autor: P. Heribert Graab S.J.
Spontan höre ich aus den beiden Lesungen heraus:
Falle Gott mit deinem Beten ruhig ‚auf die Nerven‘!
Jedenfalls gib das Beten nicht auf –
    auch wenn sich im Augenblick nichts ändert!
Vor allem aber: Schenke dem, für den du betest, wirklich Zeit!
    Ein ‚Vater unser‘, eine Fürbitte, ein Gedanke…
    reicht das wirklich – z.B. als Zeichen der Nähe und
    der Verbundenheit, als gelebte Freundschaft,
    als gebetete Solidarität?

Stille

Für viele von uns ist jedoch eine andere Frage
wenigstens ebenso drängend:
Hört Gott mich überhaupt?
Oder ist Beten möglicherweise so etwas wie Telefonieren –
und am anderen Ende der Leitung ist überhaupt niemand, der zuhört?

Schweigt Gott?
Dreh‘n wir den Vorwurf doch einfach mal rum:
     Wir sind zu laut…
    Wir hören vor lauter Lärm in uns und um uns nichts!


Toni Zenz „Der Hörende“ (1958, Pax-Christi-Kirche Essen)

Ganz Ohr!
Aber auch: Mit allen Sinnen ganz da!
Nicht nur im Gebet, sondern oft auch im Gespräch
fehlt uns die Fähigkeit zu hören, oder überhaupt wahrzunehmen,
was uns der andere durch Gesten, Mimik, Körperhaltung…
mitteilen möche.
(„Hast du überhaupt zugehört?“)

Stille

1)    Gott spricht zu uns in und durch seine Schöpfung:

Ps.18: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes;
vom Werk seiner Hände kündet das Firmament.“
    Weite des Meeres, Sonnenschimmern auf dem Wasser,
    die ziehenden Wolken am Himmel, die sich auftürmenden Berge…
> Sonnengesang des hl. Franz von Assisi (GL 19 / 2)
Schauen, Lauschen – Antwort: frohes Danken
Dankbarkeit steigt spontan in uns auf. Aber wem sollen wir danken?

Guy de Larigaudie (1908 – 1940):
„Nimm alle Schönheiten dieser Welt in deine Hände
und bringe ihr Lob vor den Herrn.“

Und übrigens auch alles Elend dieser Welt:
> Klage! (Klagepsalmen! Klage und Anklage)

Stille

2)    Gott spricht zu uns in der Begegnung mit Menschen:
Gabe – Aufgabe – Veranwortung

Gespräch ohne Worte: Schachspiel.
    Jeder Zug – Aufgabe,
    jeder Gegenzug – Antwort.

„Die Erzählungen der Chassidim“:  Der Rabbi und das verlassene Kind.

    Einmal, am Vorabend des Versöhnungstages, versammelte sich die ganze Gemeinde des Rabbi Mojsche-Lejb ins Bethaus. Doch der Rabbi selbst kam nicht. Er hatte aber ein für allemal befohlen, daß man auf ihn niemals mit dem Beten warten solle. Darum stimmte man das Kol-Nidrej-Gebet ohne ihn an. Später erschien der Rabbi doch. Die Leute forschten nach, warum er so spät gekommen war und das so wichtige Gebet versäumt hatte, und erfuhren folgendes: Als der Rabbi zum Beten ging, hörte er unterwegs in einem Hause ein Kind weinen. Er ging hinein und sah, daß die Mutter zum Beten weggegangen war und das Kind allein gelassen hatte. Der Rabbi hatte Mitleid mit dem Kinde und spielte mit ihm so lange, bis es müde wurde und einschlief. Erst dann ging er ins Bethaus, das Kol-Nidrej zu beten.

Stille

3)    Gott spricht durch jede ‚Einsicht‘, durch jede ‚Erleuchtung‘…

In einer ganz ‚natürlichen‘ Einsicht
u.U. doch Sein Wort / Seine Antwort:
    da fällt mir ein Wort der hl.Schrift ein,
    ein längst vergessenes Gespräch,
    ein Gedanke aus einem Buch…
Oder: ich finde Kraft, Ruhe, neue Energie, Frieden, Geduld…
    Seine Antwort.
Voraussetzung: Stille, Sammlung, Ruhe…

Stille

4)    Begegnung mit Gott in einem Gebet ‚ohne Worte‘:

Vergleich: Wortloses, schweigendes Verstehen unter Menschen.
    (Schweigende Wache am Krankenbett; Hände halten…
    Schweigender und doch ‚beredter‘ Spaziergang…)

Stille

5)    Gott spricht durch Jesus Christus…

und hat längst gesprochen
(gegen unser Schweigen, gegen unsere Interesselosigkeit…)
    Jesus zu Philippus: „So lange Zeit bin ich schon bei euch –
und du hast mich nicht erkannt? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh. 14, 9).

Schriftlesung, Schriftbetrachtung:
-  Worte Jesu (heute, für mich),
-  die Botschaft Seines Tuns, Seines Lebens (heute, für mich).

Stille

6)    Zusammengefaßt: ‚In allem Gott suchen und finden!‘

Oder eben auch: In allem beten!
Der ganze Tag, alles, was mir begegnet und alles, was ich tue,
kann so zum Gebet werden.

„Keinem von uns ist Gott fern.
Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“
(Paulus auf dem Areopag / Apg. 17, 27 f)

Teilhard de Chardin:
Christus – Punkt Omega,
jener dynamische Punkt, in dem alle Wirklichkeit zusammenläuft:
„auf Ihn hin ist alles geschaffen“ (Kol. 1,16 f)

„Kein Ding kann uns durch sein Innerstes beeinflussen,
ohne daß in ihm das universale Feuer auf uns ausstrahlt.“

Die Wirklichkeit Gottes enthüllt sich in der Wirklichkeit der Dinge
„wie die Sonne in den Splittern eines zerbrochenen Spiegels.“
Die Welt ist „Göttlicher Bereich“.

Ignatius: „Alles zu größeren Ehre Gottes!“

Stille

Und abschließend: ‚Treue‘ im Gebet

…ganz wie unter Menschen:
Wer nicht im Gespräch miteinander bleibt,
setzt die Beziehung auf’s Spiel.

Amen.