Predigt zum Abschluß des Burgtages auf der Neuerburg
am 9. Sonntag im Jahreskreis, dem 29. Mai 2016
Thema des Burgtages: "Hetz mich nicht!
Thema des Abschlußgottesdienstes: "Mach mal Pause!"
Evangelium: Mk. 6, 30-32
Autor: P.Heribert Graab S.J.
1.    Der Leistungsdruck unserer Tage
und damit jene Hetze, die uns heute bedrängt –
all das war sicher nicht das vordringliche Problem der Zeit Jesu.
Und dennoch gab es immer mal wieder konkrete Situationen,
in denen es auch Jesus und Seinen Jüngern ‚reichte‘.
So zum Beispiel jene Situation,
die den Anlaß gab zur knappen Schilderung
des Evangelientextes, den wir eben gehört haben:
Unzählige Menschen, darunter viele Frauen
mit noch mehr schreienden und tobenden Kindern
drängten sich schon den ganzen Tag mit ihren Anliegen um Jesus.
Schließlich meinte auch Er dann, es sei genug:
„Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind,
und ruht ein wenig aus.“

Er lädt sie also ein, mit Ihm an einen ‚einsamen‘ Ort zu gehen -
weg vom ganzen Rummel um Seine Person.
Mir fällt jedoch auf,
daß Er sie eben nicht ‚allein’ und einzeln in die Einsamkeit schickt.
Vielmehr gehen sie alle gemeinsam und zusammen mit Ihm:
‚Mach mal Pause!‘ -
jedoch in Gemeinschaft mit Menschen, die sich verstehen.

Stille

2.    Von einem Indianer wird erzählt,
er sei gemeinsam mit einem weißen Amerikaner
in dessen schnellem Auto unterwegs gewesen.
Irgendwo unterwegs habe er dann
den eiligen Fahrer gebeten anzuhalten.
Auf den unverständlich fragenden Blick des Weißen
habe er geantwortet:
Ich brauche eine Rast, damit meine Seele nachkommen kann.

Möglicherweise deutet der Indianer mit diesen Worten
den Grund dafür an, daß in der Hetze auch unseres Lebens
unsere Seele, d.h. das was uns letztlich zu Menschen macht,
verloren zu gehen droht.

Stille

3.    Obwohl die ‚alten Zeiten‘ vermutlich ‚Hetze‘ kaum kannten,
gab es doch schon jene Grundhaltung,
die Schwaben heute so umschreiben:
„Schaffe, schaffe, Häusle bauen!“
Für viele Menschen müßte dieses Wort allerdings
damals wie heute lauten:
„Schaffe, schaffe, um überleben zu können!“

Selbst darauf  reagiert schon im ‚Alten Testament‘ der Psalm 127:
„Es ist umsonst,
daß ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt,
um das Brot der Mühsal zu essen;
denn der Herr gibt’s den Seinen im Schlaf.“

Da wir geneigt sind, diesen Psalmvers für Illusion zu halten,
lohnt es sich erst recht, darüber nachzudenken,
was dieses Wort durchaus sinnvoll zum Ausdruck bringt.

Stille

4.    Überhaupt scheint es mir sinnvoll zu sein,
sich mit den Texten der Bibel vertraut zu machen.
Nicht nur in der alltäglichen Hetze,
sondern selbst in schlimmsten Katastrophen
kann das Wort der Heiligen Schrift ‚Rastplatz‘
und sogar Heimat werden.
Eine deutsche Jüdin der Holokaust-Generation
-    Rose Ausländer -
bringt das in einem ganz kurzen Gedicht zum Ausdruck:

    Mein Vaterland ist tot
    Sie haben es begraben
    Im Feuer
    Ich lebe
    In meinem Mutterland
    WORT

Natürlich meint dieses WORT die Thora!
Ein anregender Gedanke:
Die Heilige Schrift als ‚Rastplatz der Seele‘,
als Rastplatz und Kraftort für unser Menschsein.

Stille

5.    Ergänzend und zugleich abschließend
noch ein weiteres Gedicht der jüdischen Autorin Rose Ausländer -
ein Gedicht, mit dem sie an das Neue Testament der Christen anknüpft
und mit dem ersten Vers des Johannesevangeliums
ein zutiefst jüdisches,
dann aber auch christliches Verständnis verknüpft:

    Im Anfang
    war das Wort
    und das Wot
    war bei Gott

    Und Gott gab uns
    das Wort
    und wir wohnen
    im Wort

Und das Wort ist
unser Traum
und der Traum ist
unser Leben.

Amen.