Predigt zum Dritten Advent 
am 17. Dezember 2000 
Lesungen: Zef. 3, 14 - 17 und Phil. 4, 4 - 7; Evangelium: Lk. 3, 10 - 18 
Autor: P.Heribert Graab S.J.
 Ein merkwürdiger Sonntag: 
 Auf der einen Seite trägt er seit alters her 
 den frohstimmenden Namen „Gaudete" - Freuet Euch! 
 „Jauchzt und jubelt" heißt es in der Prophetenlesung, 
 denn Gott selbst freut sich und jubelt über euch: 
 Sein Strafurteil ist annuliert, 
 Er selbst ist in eurer Mitte! 
 Und auch Paulus stimmt in diese Freude mit ein: 
 Gleich zweimal ruft er uns zu: 
 „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! 
 Ja, noch einmal sage ich: Freut euch!" 

 Und auf der anderen Seite werden wir im Evangelium 
 noch einmal mit dem Bußprediger Johannes konfrontiert, 
 der die dunklen Farben vorzieht, 
 und von dem - jedenfalls auf den ersten Blick - 
 wahrhaftig keine Freude ausgeht. 

 Selbst die liturgische Farbe dieses Sonntags 
 weiß nicht so recht, was von diesem Zwiespalt zu halten ist: 
 Sie steht irgendwo dazwischen - 
 zwischen dem dunklen Violett der Buße, der Umkehr und der Erwartung 
 und einer Farbe der Freude, 
 die eigentlich viel leuchtender sein müßte. 

 Nun ist uns in dieser Zeit sicherlich nicht nach Jubel, Trubel, Heiterkeit zumute, 
 auch wenn der vorweihnachtliche Rummel uns darauf einstimmen möchte. 
 Vielleicht macht uns diese Glitzerwelt des Konsums 
 manchmal sogar Spaß. 
 Und selbstverständlich verachten wir auch nicht  
 ein Glas Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt.  
 Aber all das bleibt doch reichlich an der Oberfläche. 
 Schon wenn wir morgens die Zeitung aufschlagen, 
 entdecken wir kaum einen Grund zur Freude. 
 Eigentlich sollten unsere Zeitungen auf violettem Papier gedruckt werden. 
 Jedenfalls würde diese Bußfarbe sehr gut passen 
 zu all dem, was da berichtet wird: 
 - über Haß, Gewalt und Bürgerkrieg ausgerechnet im „Heiligen Land", 
 - über den Demokratiezirkus in den Vereinigten Staaten, 
 - Menschenrechtsverletzungen überall auf der Welt und auch in deutschen Abschiebeknästen, 
 - über die immer größer werdende Kluft zwischen arm und reich, 
 - über die erschreckende Zunahme von Kinder- und Jugendkriminalität hier in Göttingen,  
 - über zerbrechende Ehen und Familien, die nur noch berichtenswert sind, 
 wenn ein Medienstar betroffen ist. 

 Johannes hätte für eine Bußpredigt in den dunkelsten Tönen 
 Anknüpfungspunkte genug. 
 Der springende Punkt ist nun aber: 
 Johannes unterscheidet sich von den Kritikastern unserer Tage dadurch, 
 daß er nicht klagt, schimpft oder gar zetert. 
 Er zeigt vielmehr einen Weg aus dem Desaster heraus. 
 Er gibt konkrete Antworten auf die drängende Frage der Menschen: 
 Was sollen wir denn tun? 

 „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat." 
 Das Teilen von Kleidung und Essen und auch von Zeit und Arbeitsplätzen 
 führt zu einer Praxis der Barmherzigkeit. 

 Von den Zöllnern verlangt er, 
 nicht mehr Geld einzutreiben, als festgesetzt ist. 
 Also niemanden auszubeuten 
 und sich selbst nicht auf Kosten anderer zu bereichern. 
 Hochaktuell ist dieser Appell zum Maßhalten 
 und zur Gerechtigkeit auch heute. 

 Als Antwort auf die Frage der Soldaten verlangt Johannes 
 den Verzicht auf Mißhandlungen, Raub und Plünderungen. 
 Wer Einfluß hat, soll seine Macht gegenüber Schwächeren nicht mißbrauchen. 

 Eltern, die besorgt sind um ihre Kinder, 
 und darum, daß die unter schlechte Einflüsse geraten könnten, 
 würde Johannes heute vielleicht ebenso konkret antworten: 
 Schickt eure Kinder nicht in Sportvereine, 
 die ausgerechnet am Sonntagmorgen ihre Tourniere austragen, 
 wie‘s schon die Nazis getan haben, 
 um die Jugend von der Wertordnung der Kirche fernzuhalten. 

 Jungen Leuten auf der Partnersuche würde er vielleicht raten: 
 Laßt euch nicht nur von Äußerlichkeiten beeindrucken, 
 sondern fragt zu einem sehr frühen Zeitpunkt 
 nach Glauben, Überzeugungen und Wertvorstellungen. 

 Engagierten Ehrenamtlichen in einer christlichen Gemeinde 
 würde Johannes sicherlich danken, 
 aber er würde ihnen auch sagen: 
 Seid euch bewußt, daß ihr nicht allein steht, 
 daß viele gemeinsam mit gutem Willen an Gottes Reich bauen. 
 Laßt euch also nicht von Konkurrenzdenken leiten, 
 redet den Dienst anderer nicht schlecht, 
 arbeitet im Team zusammen und zieht an einem Strick. 

 Vor allem aber würde Johannes heute wie damals auf einen anderen hinweisen: 
 auf den menschgewordenen Gott, 
 von dem wir fürwahr lernen können, 
 was es heißt, wirklich Mensch zu sein. 
 Und Johannes würde uns dazu ermutigen. 
 Er würde uns sagen: 
 Tut, was ihr tun könnt; 
 versucht es immer auf‘s neue. 
 Aber das Gelingen hängt nicht von euch ab; 
 das Gelingen wird euch geschenkt.  
 Weil Gott auf eurer Seite steht, 
 braucht ihr um die Zukunft keine Angst zu haben. 
 Es gibt eine hoffnungsfrohe Perspektive! 
 Laßt euch einfach voller Vertrauen auf den ein, 
 dessen Ankunft gemeldet ist; 
 ja, dessen Ankunft ihr Weihnachten schon feiern dürft! 
 Fürchtet euch nicht! 
 Ihr habt wider allen Anschein 
 einen unüberbietbaren Grund zur Freude. 

 Amen.