Predigt zum 3. Adventssonntag (B) 
am 15. Dezember 2002
Anlaß: Empfang des Friedenslichtes aus Bethlehem.
Die Tageslesungen (Jes. 61, 1-2a. 10-11; 1.Thess. 5, 16-24; Joh. 1, 6-8. 19-28)
klingen nur in Stichworten an.
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Unsere Stadt hat sich zu Weihnachten toll herausgeputzt:
Mit einer überwältigenden Fülle glitzernder Lichter;
mit einem wunderschönen Weihnachtsmarkt,
der Kindheitsträume wach werden läßt;
und sogar mit einem Krippenweg,
der durch Kirchen auch, 
vor allem aber durch Geschäfte führt -
mitten in einer Welt des Konsums
Erinnerung an jene Geschichte Gottes mit den Menschen,
mit der vor 2000 Jahren alles begann.

Nicht wenige Christen schimpfen über diesen Weihnachtsrummel
und beklagen die Vermarktung dieser christlichen Festzeit.
Apropos Vermarktung:
Der Einzelhandel würde selbstverständlich liebend gerne 
an jedem anderen Fest genau so viel verdienen.
Das aber gelingt nicht!
Was also ist das Besondere gerade an Weihnachten???
Darüber lohnt sich nachzudenken.

Möglicherweise ist es die adventliche Erwartung,
die Menschen gerade jetzt in die Geschäfte treibt;
eine adventliche Erwartung,
eine vielleicht gar nicht christliche Sehnsucht,
die tief in einem jeden von uns drinsteckt,
und in unserem alltäglichen Leben keine Erfüllung findet.

Die Inhaberin eines Geschäftes für Geschenkartikel
sagte dieser Tage,
sie beobachte, 
wie Erwachsene sich durch den Kauf dieser Glitzerdinge 
frühe Kinderträume zu erfüllen suchten.

Und dann beobachten wir ja auch,
daß unsere Kirchen zu Weihnachten
wesentlich voller sind als sonst.
Nicht selten machn wir recht abfällige Bemerkungen
über diese Weihnachtschristen,
die uns ausgerechnet an diesem Fest
unsere Plätze in der Kirche streitig machen.

Wir sollten uns lieber fragen,
ob wir nicht die Sehnsucht der Menschen,
die in diesen Tagen sowohl in der Stadt,
als auch in den Kirchen zum Ausdruck kommt,
viel ernster nehmen müssen.

Vielleicht ist es ja letztendlich gerade die Sehnsucht,
auf die Gott in Seiner Menschwerdung antworten möchte.
Schauen wir einen Augenblick auf die Botschaft des Engels
damals auf dem Hirtenfeld zu Bethlehem:

„Fürchtet euch nicht!" sagt er.
Wieviel Angst treibt dagegen Menschen von heute um!
Und bemühen wir als Christen und als Kirche
eigentlich all unsere Phantasie und Kreativität,
dieser Angst durch die Botschaft des Glaubens gegenzusteuern -
so daß wir aus dem Glauben heraus
und überzeugend neues Vertrauen vermitteln?

„Ich verkünde euch eine große Freude", 
lautet die Botschaft des Engels weiter.
Wie ein Lauffeuer breitete sich
die Freude dieser Nacht damals aus.
Wir sprechen heute zwar von „froher Botschaft",
aber laufen nicht weniger miesgrämig als die meisten anderen herum.
Woran liegt es, daß Christentum vor allem 
in Verbindung gebracht wird
mit einer asketischen Gebotemoral,
mit der Diffamierung aller Lebensfreude als Sünde? 

„Heute ist euch der Retter geboren, der Heiland",
heißt es sodann in der Weihnachtsbotschaft.
Wieviele seelische Wunden und Verletzungen
wären heute zu heilen!
In Gesprächen mit Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind,
oder auch in manchem Beichtgespräch habe ich dagegen den Eindruck,
daß nicht wenige Verwundungen und Verletzungen
ausgerechnet von Erfahrungen mit der Kirche 
und mit Christen herrühren.

Wie ernst also nimmt Kirche, nehmen wir als Christen
den Auftrag Jesu:
„Heilt Kranke, weckt Tote auf, 
macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!" ?

Und noch einmal die Weihnachtsbotschaft der Engel:
„Ehre sei Gott in der Höhe,
und Friede auf Erden den Menschen!"
Wir glauben, Gott zu ehren in unseren Gottesdiensten;
verstehen jedoch nicht, daß beides zusammengehört:
Gottes Ehre und Friede auf Erden,
Verherrlichung Gottes und Versöhnung der Menschen untereinander.

Mit unseren Ehen und Familien ist es nicht viel besser bestellt
als mit den Ehen und Familien jener,
die vom christlichen Glauben weit entfernt sind.
Christliche Nationen und Politiker, die sich als Christen bezeichnen,
führen Kriege gegeneinander wie alle anderen,
und Machtitneressen und wirtschaftliche Gewinne
sind ihnen so wichtig wie den „Kindern dieser „Welt" -
jedenfalls um einiges wichtiger als die Glaubwürdigkeit
ihres christlichen Namens.

Gerade in der aktuellen weltpolitischen Situation
muß sich die Friedensutopie von Bethlehem neu bewähren.
Angesichts dessen, was durch den 11. September 2001 heraufbeschworen wurde,
und angesichts der bedrohlichen Irakkrise
stehen die Friedenspotentiale aller Religionen
und gerade des Christentums auf dem Prüfstand.

Es geht letztlich um die Frage,
die uns allen unter den Fingernägeln brennen müßte:
Ist Weihnachten nichts als Mumpitz und rührselige Tradition?
Oder kann Weihnachten,
kann unser Glaube an dieses Kind in der Krippe,
das wir den „Friedensfürsten" nennen,
auch heute seine friedenstiftende Kraft entfalten?

Ist das Friedenslicht von Bethlehem
nur ein schönes, aber hohles Symbol?
Oder lassen wir uns durch dieses Licht selbst entzünden,
damit wir es weitertragen können 
in unsere Familien, aber eben auch in unsere Gesellschaft -
und das so, daß es auch für unser politisches Handeln
zur Initialzündung wird.

Das Evangelium zeichnet Johannes den Täufer 
als einen glaubwürdigen Zeugen.
Laßt auch uns mit neuer Begeisterung
Zeugen Jesu Christi sein,
Zeugen Seines Lichtes,
Zeugen Seiner Freude,
Zeugen Seines Friedens.

Amen.