Predigt zum 2. Advent im Jahreskreis A
am 5. dezember 2004 |
1. Lesung: Jes. 11, 1 - 10; Evangelium: Mt. 3, 1 - 12; Autor. P.Heribert Graab S.J. |
„Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." Dies Wort des Johannes ist mancheinem heutzutage ausgesprochen sympathisch. Mehr noch: Fundamentalisten aller Couleur würden am liebsten selbst die Axt in beide Hände nehmen und ans Werk gehen. Sie wissen haargenau, was gut und was schlecht ist: • Die Juden sind schon immer schlecht gewesen - und dieses Vorurteil steckt auch nach dem Holocaust immer noch tief im Unterbewußtsein drin. • Mehr noch bietet sich heute der Islam für ein handfestes Feindbild an: Muslime oder Islamisten - das sind doch alles verkappte Terroristen! • Andere wüten mit dem Schlag (!)-Wort „Kapitalisten" wie die „Axt im Walde". Nicht von ungefähr gibt es diese Sinnverwandtschaft zwischen Axt, Schlag und Schlagwort. Johannes spricht zwar eine deutliche Sprache, und mancheiner in seinem Zuhörerkreis mag seine Worte als „Schlag ins Gesicht" empfunden haben. Allerdings hat Johannes seine Zuhörer weder dorthin gewünscht, wo der Pfeffer wächst, noch hat er ihnen die Pest an den Hals gewünscht, noch hat er sie mit seiner Predigt „fertig gemacht". Er hat vielmehr diejenigen, die wirklich „Dreck am Stecken" hatten, zum Nachdenken gebracht. Viele gingen in sich und ließen sich durch seine Worte motivieren umzukehren und sich neu zu orientieren an Gottes „Weisung". Als Zeichen dafür ließen sie sich von Johannes taufen. Johannes hat also keineswegs „wie die Axt im Walde" gehaust! Wichtiger noch: So deutlich seine Sprache auch war - er hat sich selber nicht als „Axt im Walde" verstanden. Er hat sich selber zurückgenommen und sich ganz und gar in den Dienst dessen gestellt, der nach ihm kommen würde. Er kannte diesen Jesus nicht; aber er ahnte wohl, daß der aus ganz anderem Holz geschnitzt sein würde, daß der auch eine andere Sprache sprechen würde, und daß der mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen würde. Vielleicht hat er wirklich noch geglaubt, daß dieses Feuer ein vernichtendes Feuer sein würde. So unrecht hatte er ja damit auch nicht. Aber vermutlich fehlte ihm noch noch das Verständnis dafür, daß die Liebe, die Jesus verkündigte und selbst lebte, ein Feuer ist, daß Menschen nicht vernichtet, sondern verwandelt. Die Jesaja-Lesung des heutigen Tages stellt uns ein Kontrastbild zur „Axt im Walde" vor Augen: Sie spricht von einem jungen Trieb, der aus den Wurzeln eines Baumstumpfes hervorsproßt. Mit dem scheinbar toten und vermoderndem Baumstumpf ist zweifelsohne das Gottesvolk und insbesondere das Königtum Israels angesprochen. Aber da geht es nicht darum, daß jemand mit der Axt zugeschlagen habe, um diesen Baum zu fällen. Jesaja geht eher davon aus, daß dieses Volk und vor allem seine politische Führungsschicht abgewirtschaftet und sich selbst in den Ruin getrieben haben. Viel wichtiger jedoch ist für Jesaja, daß da aus diesem gammeligen Baumstumpf etwas ganz Neues wächst. Und anstatt das Vergangene zu geißeln - nach dem Motto „Geschieht ihnen recht" - malt er das Neue in phatasievollen Bildern als die von Gott geschenkte Alternative aus. So notwendig die klare und aufrüttelnde Sprache des Johannes in manchen Situationen auch ist - Jesaja selbst und sogar Jesus von Nazareth haben diese Sprache auch immer wieder gesprochen - konstruktiver - und zugleich keineswegs weniger kritisch - ist letzten Endes jene Sprache, die Jesaja in der heutigen Lesung wählt, und die erst recht die Botschaft Jesu vom kommenden Reich Gottes ausmacht: eine Sprache, die Gottes eigene Vorstellungen von Seiner Schöpfung in faszinierende Bilder kleidet, und die zugleich die tiefsten Sehnsüchte der Menschen selbst weckt. Wir wissen alle, daß auch unsere Wirklichkeit heute noch Lichtjahre entfernt ist von einer Realität, die auch nur annähernd jenen Verheißungen entspricht. Wir wissen aber auch, daß in der Geburt Jesu Gott selbst Mensch geworden ist, und daß damit jene neue Wirklichkeit bereits unumkehrbar angefangen hat. Ungerechtigkeit, Friedlosigkeit, Machtgier - all das bestimmt immer noch die alltägliche Realität und - nicht zu vergessen - auch unser eigenes Verhalten. Es gilt jedoch, davor nicht zu kapitulieren. Wir dürfen vielmehr glücklich sein, mitwirken zu können am Kommen des Reiches Gottes, das nichts und niemand aufhalten kann. Im Vertrauen darauf, können wir enerigsch „die Ärmel aufkrempeln" - nicht um „die Axt im Walde" zu spielen, sondern um den Boden und überhaupt die Lebensbedingungen zu pflegen für jenes zarte Reis, das aus dem Baumstumpf hervorsprießt. Die vielen Lieder, Texte und Symbole der Advents- und Weihnachtszeit sprechen die hoffnungsfrohe und verheißungsvolle Sprache des Jesaja und eben auch der Botschaft Jesu selbst. Selbst in Menschen, die der Kirche fern sind, rühren sie in deren Tiefe etwas von jener adventliche Sehnsucht an, die in uns allen verborgen ist: Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden, nach Vergebung und Erlösung, nach Wärme, Geborgenheit und Liebe. Wir alle können ein wenig dazu beitragen, daß diese Sehnsucht für möglichst viele Menschen in den Tagen des Advent und der Weihnacht wenigstens in unserem persönlichen Umfeld und natürlich im Umfeld von St.Michael eine spürbare Erfüllung findet. Amen. |