Predigt zum 4. Advent im Jahreskreis A
am 19. Dezember 2004 |
1. Lesung: Jes. 7, 10 - 14; Evangelium: Mt. 1, 18 - 24; Autor. P.Heribert Graab S.J. |
Heute am Vierten Adventssonntag haben wir im Evangelium bereits die Weihnachtsgeschichte gehört. Vertraut ist uns diese Geschichte aus dem Lukasevangelium. So, wie sie uns von Matthäus überliefert ist, kennen wir sie weniger. Matthäus erzählt uns die Geschichte etwas anders: Er ezählt sie aus der Perspektive des Josef. Diese für uns ungewohnte Erzählweise des Matthäus haben wir in unserer Krippe noch zusätzlich verfremdet. In der Kunstgeschichte - zumal des 19. Jahrhunderts - begegnet uns Josef als der biedere Zimmermann, dem Gottes Engel bei seiner Arbeit in der Werkstatt erscheint. Der geachtete Meister aus einer Blütezeit des Handwerks hat für diese Art der Darstellung Modell gestanden. Die Gestaltung unserer Krippenszene hat einen anderen Hintergrund: Josef wird im Evangelium „tektwn" genannt. Das ist genau genommen jemand, der am Bau arbeitet. Nazareth war damals ein kleines Dorf. In einem solch kleinen Dorf konnte gewiß kein spezialisierter Bauhandwerker oder Zimmermann sein Brot verdienen. Wenn es darum ging, eine neue Hütte zu bauen, oder eine alte zu reparieren, dann wurde das selbstverständlich in Eigenarbeit und mit Hilfe der Nachbarn erledigt. Größere Bauvorhaben wurden in der ganzen Region nur von einem in Auftrag gegeben: Von König Herodes. Und der ließ sich seine Paläste durch Tagelöhner errichten. Es liegt also nahe zu sagen: Dieser Josef schuftete als Tagelöhner im Dienst des Herodes. Was ein solcher Tagelöhner verdiente, wissen wir auch aus dem Evangelium - z.B. aus dem Gleichnis Jesu von den Arbeitern im Weinberg. Deren Verdienst reichte nicht zum Leben und nicht zum Sterben. Unsere Krippenszene zeigt Josef, wie er für wenige Stunden auf einem seiner Wege von Baustelle zu Baustelle ein wenig Ruhe findet - im Schutz einer einfachen Zeltplane. Diese Szene und das Matthäusevangelium bringen also auf eine andere Weise das zum Ausdruck, was Lukas durch die Geburt Jesu im Stall andeutet: Gott wird Mensch unter Armen! Da wir selbst in unserer großen Mehrzahl nicht zu den Armen gehören, und da auch die Kirche überhaupt in unseren Breiten die Armen vor allem als „Objekte" ihrer Caritas sieht, nicht aber als die, die zuallererst von Jesus berufen sind und den Kern der Kirche ausmachen, tun wir uns schwer, das Evangelium insgesamt und die Weihnachtsgeschichte insbesondere wirklich zu verstehen. Die Kirche legt zwar wieder Wert auf eine „Option für die Armen"; aber was das konkret bedeutet, bleibt jedenfalls in den „reichen" Ländern ziemlich nebulös. Sicher scheint mir jedenfalls, daß sich diese Option für die Armen nicht nur auf ein Unternehmen wie den „Mittagstisch" beziehen kann. Der gerät schnell - wie die Caritas als Institution auch - in die Funktion eines Feigenblattes. Lassen Sie mich einen zweiten Gedanken anschließen: Wenn wir unter „Armut" nicht nur die materielle Armut verstehen, können wir schon eher mitreden. Ich könnte mir vorstellen, daß Josef in jener Nacht, da ihm im Traum der Engel erschien, einen recht unruhigen Schlaf hatte - nicht wegen der harten Arbeit für wenig Geld, sondern eher wegen der Beziehungskrise in seinem Verhältnis zu jener jungen Frau, die er liebte. Viele von uns haben solche Beziehungskrisen erlebt - sei als Partner in einer zerbrechenden Ehe, sei es als Kinder, deren Eltern im Streit auseinandergingen. Auch die menschlich feinfühlige Entscheidung des Josef, „sich in aller Stille zu trennen", ändert nichts an der tiefgehenden persönlichen Verletzung. Gewiß ist es angebracht, auch einen Menschen, der schuldlos in eine solche Situation geraten ist, einen „armen" Menschen zu nennen. Josef mag sich in jener Nacht zwischen Wachen und Schlafen auf seinem Lager hin- und hergewälzt haben. Da greift nun Gott ein, indem Er zu lenken beginnt, was sich im Inneren dieses Menschen wie ein Traum abspielt. Durch Seinen Engel spricht Gott selbst und „erklärt" dem Josef etwas, was letztlich nicht zu erklären ist; etwas, was er also auch nicht rational verstehen kann. Da gibt es also in der Josefsgeschichte des Matthäus eine ziemlich genaue Parallele zur Lukasgeschichte von der Verkündigung des Engels an Maria: Auch ihr wird etwas „erklärt", was menschliches Verstehen übersteigt. Maria wird wie Josef ziemlich unvermittelt konfrontiert mit dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Die Parallele der beiden Geschichten geht noch weiter: Aus ihrem tief verwurzelten Glauben heraus sind beide - Maria und Josef - fähig, „die Geister in ihrem Inneren zu unterscheiden" und aus diesem inneren Chaos Gottes Stimme herauszuhören. Mehr noch: Beide finden in ihrem Glauben die Kraft, sich vertrauensvoll fallen zu lassen und Ja zu sagen zu etwas, was sie nicht verstehen. Ignatius von Loyola, der in seinen Exerzitien die „Unterscheidung der Geister" lehrt, hat sinngemäß einmal gesagt, wir alle würden wohl zu ganz neuen Menschen, wenn wir uns wirklich einmal darauf einließen, vertrauensvoll und ganz und gar der Führung Gottes zu folgen. Noch ein dritter Gedanke schließt sich daran an: Im Verständnis der Bibel sind Namen keineswegs Schall und Rauch. Sie werden auch nicht gewählt, weil sie so schön klingen. Und noch weniger werden sie wie Nummern verwandt. Namen sagen etwas Wesentliches aus. So hat der Name „Jesus", den Josef seinem (!) Kind geben soll, durchaus auch einen Bezug zu Josef selbst: Dieser Name, den wir übersetzen können mit „Jahwe-ist-Hilfe", ist für Josef ganz persönlich eine Ermutigung zu restlosem Vertrauen. Matthäus verleiht dieser Ermutigung noch einmal Nachdruck im Blick auf die Hörerinnen und Hörer seines Evangeliums - also durchaus auch im Blick auf uns: Matthäus nennt noch einen zweiten Namen aus der Tradition messianischer Erwartung Israels. Matthäus zitiert die Verheißung des Jesaja mit dem Namen des Erlösers: Immanuel = „Gott ist mit uns". Wenn Sie genau hingehört haben, wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, daß Matthäus in diesem Jesaja-Zitat, das wir eben in der Lesung gehört haben, ein ganz kleines Wörtchen verändert hat: Bei Jesaja heißt es: „Sie - nämlich die junge Frau - wird ihm den Namen Immanuel geben." Matthäus dagegen sagt: „Man wird ihm den Namen Immanuel geben." Das heißt: Wir alle, die wir - und soweit wir - wirklich aus dem Glauben an dieses göttliche Kind leben, nennen ihn Immanuel = Gott ist mit uns. Die adventliche Sehnsucht danach, daß wir diese Wirklichkeit auch persönlich erfahren mögen, bringt das alte Adventslied zum Ausdruck: „O komm, o komm, Immanuel..." Und die meisten anderen Lieder, die wir in den Wochen des Advent immer wieder singen, sind ähnlich erfüllt von dieser Sehnsucht. Sind wir selbst von dieser Sehnsucht unserer Lieder wirklich erfüllt ??? Amen. |