Predigt zum Fest der Taufe des Herrn (A)
am 9. Januar 2005 |
Evangelium: Mt. 3, 13 - 17; Hintergrund: Die große Flutkatastrophe in Südostasien; Autor. P.Heribert Graab S.J. |
In der Epiphanieszene der Weihnachtskrippe von St.Michael begegnen sich in der Wüste, am Lauf des Jordan diese beiden Menschen, von denen das Evangelium erzählt: Johannes der Täufer und Jesus der Christus. Sie repräsentieren in meinen Augen zwei unterschiedliche Sichtweisen jener Wirklichkeit, die uns immer wieder vor innerlich aufwühlende Fragen stellt - wie gerade jetzt angesichts der unfaßbaren Flutkatastrophe in Südostasien: Wo war Gott? Wie kann er das zulassen? Heißt es nicht Tag für Tag im Schöpfungsbericht: Und er sah, daß es gut war? Ist diese Schöpfung, die in wenigen Minuten 150.000 Menschen verschlingt, wirklich gut? Und warum sind immer wieder gerade die Ärmsten der Armen betroffen? Die alten Schöpfungsberichte der Bibel halfen den Menschen, die darin ihren Glauben zum Ausdruck brachten, die oft so rätselhafte Wirklichkeit der Welt zu verstehen. Sie erfuhren - vielleicht noch intensiver als wir heute - die dunklen und existentiell bedrohlichen Seiten dieser Wirklichkeit. Sie kleideten die Antwort ihres Glaubens auf die Fragen, die diese Bedrohung aufwirft, in zwei Geschichten, die zur Schöpfungsgeschichte dazugehören: Da ist zum einen die Geschichte des Sündenfalls von Adam und Eva, die Geschichte also der Sünde und Schuld des Menschen überhaupt. Da ist zum anderen die Geschichte von der großen Flut, die heute so unglaublich aktuell ist. Diese Geschichte von der Sintflut sieht in der Auflehnung des Menschen gegen Gott und im Ausufern der Gewalt die Ursache für das Einbrechen des Chaos in die gute Schöpfung. Der tiefe Glaube, der hinter dieser Geschichte steht, bekennt jedoch zugleich, daß Gott letztendlich Seiner Schöpfung treu bleibt, daß Er den Regenbogen in die Wolken gesetzt hat als ein Zeichen Seiner fortdauernden Verbundenheit mit allen Lebewesen, daß daher „das Wasser niemals wieder zur Flut werden wird, die alle Wesen aus Fleisch vernichtet". (Gen. 9,15-17). Gerade dieses Glaubensbekenntnis der Sintflutgeschichte stellt unseren Glauben an die liebende Zuneigung des guten Schöpfergottes erneut in Frage, während wir tagtäglich in den Medien die Bilder der Verwüstung rund um den indischen Ozean sehen. Kehren wir nun zum Evangelium dieses Sonntags zurück und zwar zunächst zur prophetischen Gestalt des Johannes. Er repräsentiert diese alten biblischen Deutungsgeschichten für das Chaos in unserer Welt. Dementsprechend hält er den Menschen den Spiegel der Selbsterkenntnis vor und ruft sie mit eindringlichen Worten zur Buße, zur Umkehr auf. Wir werden kaum leugnen können, daß er mit seiner Sicht der Dinge in ganz erheblichem Maße richtig liegt: • daß es ausgerechnet im Indischen Ozean und im Unterschied zum Pazifischen Ozean kein Tsunami-Frühwarnsystem gibt, liegt sicher nicht an Gottes Schöpfung. • daß von der Flutkatastrophe - wie so oft - vor allem die Armen betroffen sind - das hat ebenfalls seinen Grund nicht in Gottes Schöpfung. • und daß außerdem vor allem Touristen zu Opfern wurden, sollte uns anregen, über Fehlentwicklungen der Tourismusindustrie nachzudenken. Sicherlich würde Johannes die überaus große Hilfsbereitschaft und die Solidarität in der ganzen Welt anerkennen. Vor allem aber würde er eine solidarische Entwicklungspolitik einfordern und zumal den Menschen der reichen Länder zurufen: Kehrt endlich um und tut aktiv Buße! So zutreffend die Bußpredigt des Johannes auch heute ist - sie läßt angesichts einer Naturkatastrophe dieses Ausmaßes dennoch Fragen offen: Ist diese Natur - Gottes Schöpfung! -, in die das Chaos auf eine so zerstörerische Weise einbrechen kann, wirklich gut ??? Vielleicht gewinnen wir die Ahnung einer Antwort auf diese Frage im Blick auf die zentrale Gestalt des Evangeliums - auf Jesus Christus. Da ist zunächst einmal festzuhalten: Jesus selbst ordnet sich ganz selbstverständlich ein in jene Traditionen, die Johannes vertritt. Er läßt sich von Johannes taufen - wohlgemerkt mit der Bußtaufe des Johannes. Jesus - ganz und gar Mensch - trägt die Last der Menschheit solidarisch mit. „Nur so können wir (Jesus und Johannes gemeinsam!) die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen." Dann aber „öffnet sich der Himmel" und es wird offenbar, daß dieser Mensch Jesus von Nazareth ganz und gar erfüllt ist mit Gottes Heiligem Geist, und daß Gott selbst in ihm am Werke ist: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe." Um diese Offenbarung Gottes besser zu verstehen, sollten wir auf den Prolog des Johannes-Evangeliums zurückgreifen, der ein zentraler Text dieser Weihnachtszeit ist: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt." Da wird also dieser Mensch Jesus von Nazareth, in dem sich Gott selbst offenbart, mit der Schöpfung in Zusammenhang gebracht. Im Kolosserbrief formuliert Paulus das so: „In ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand." (Kol 1,16 f). Paulus spricht auch von der „Neuen Schöpfung" die in Christus und durch Christus im Werden begriffen ist. „Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden." (2.Kor. 5,17). Was Paulus die „Neue Schöpfung" nennt, ist in der Sprache Jesu selbst das „Reich Gottes", das mit Ihm und in Ihm kommt: das schon Wirklichkeit ist und doch in seiner Fülle noch aussteht. Da kommt also ein dynamischer Schöpfungsbegriff ins Spiel. Wenn wir also heute die alten Schöpfungsgeschichten im Licht der Christologie des Neuen Testamentes (und vielleicht auch im Licht der modernen Naturwissenschaften) lesen, dann geht es in diesen Schöpfungsgeschichten offenbar nicht um eine - wenn auch bildhafte - Reportage vergangenen Geschehens. Vielmehr erscheint dann das „Paradies", das am Anfang der Bibel geschildert wird, als eine eschatologische, d.h. endzeitliche Vision. Dann bilden die biblische Eingangsvision des Paradieses und die Vision der „Stadt Gottes" am Ende der Bibel eine Einheit und fassen das Ziel des Schöpfungsprozesses in faszinierende Bilder. Am Anfang war Wüste und Wirrnis, Finsternis lag über der Urflut. Aber schon in diesem Anfang war Gottes Geist am Werk, der „über dem Wasser schwebte". Die Bibel schildert dann, wie dieser Schöpfungsprozeß weitergeht in der Heilsgeschichte Gottes mit der ganzen Schöpfung und zumal mit den Menschen. Diese Schöpfungs- und Heilsgeschichte erreicht einen unüberbietbaren Höhepunkt in der Menschwerdung Gottes selbst - das Schöpfungswort ist Fleisch geworden. In der Menschwerdung Jesu Christi ist das Chaos endgültig besiegt, wird der Schöpfungsprozeß unumkehrbar. Zur Vollendung jedoch kommt dieser Prozeß erst, „wenn alle Völker der Erde... den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen." (Mt. 24,30). Ob in dieser Botschaft wirklich eine Antwort auf unsere aktuell bedrängenden Fragen steckt, mag jeder für sich selbst entscheiden. Jedenfalls läßt sich auf diesem Hintergrund jenes Chaos, das auch heute noch in der Natur am Werke ist (oder noch nachwirkt?), nur als ein Faktum, nicht aber als moralisch „böse" qualifizieren. Und Gottes Schöpfung, in deren Prozeß wir selbst mitten drin stecken, und die einmal ihre Vollendung erreichen wird in jener Wirklichkeit, die Jesus als „Reich Gottes" bezeichnet, und die bereits - allem Chaos zum Trotz - erfahrbar ist, diese Schöpfung ist sehr wohl „gut". Amen. |