Predigt am Heiligen Abend 2007
in der Klosterkirche zu Reinhausen
Evangelium: Lk 2, 1 - 20
Autor: P.Christoph Soyer S.J.
Liebe Gemeinde,
    „Sie lobten und priesen Gott für das, was sie gesehen und gehört hatten, denn alles war so, wie es der Engel ihnen gesagt hatte.“ So die Reaktion der Hirten, nachdem sie den Stall wieder verlassen hatten und zurückgekehrt waren. Eine ganz erstaunliche Reaktion. Denn viel war es eigentlich nicht, was der Engel gesagt hat: Dass in dieser Nacht der Retter geboren ist und dass ein Kind in der Krippe dafür das Zeichen ist. Als Zeichen fände ich das etwas wenig, vor allem wenn man bedenkt, dass die Geburt eines Kindes damals eine viel geringere Bedeutung hatte als heute, dass es viel selbstverständlicher war. Was die Hirten wohl gesehen haben, nachdem sie den Stall gefunden haben?
    Vielleicht haben sie den richtigen Stall überhaupt nur deswegen gefunden, weil von dort das laute Schreien eines Neugeborenen zu hören war. Und gesehen? Einen Stall, soweit aufgeräumt, dass alle Platz hatten, an der Seite vielleicht einige Tiere, die schlafen oder fressen; überall Stroh und natürlich die Sachen, die Maria und Josef auf die Reise mitgenommen (Kleidung und Proviant, ein Wanderstab). Soviel wird man gar nicht erkennen können, denn draußen war es dunkel und den Stall hat wohl ein kleines Feuer oder einige Fackeln erhellt. Dann natürlich Maria, völlig erschöpft und durchgeschwitzt von den Anstrengungen der Geburt, aber mit einem ganz seligen und irgendwie verklärtem Gesichtsausdruck. Josef kümmert sich um alles. Dass Maria und das Kind nicht frieren und bequem liegen können, dass es heißen Tee gibt, das Feuer nicht ausgeht die Tiere genug Futter haben; der seiner Frau zärtlich über das Gesicht streicht. Schließlich das neugeborene Jesuskind; die Haut noch ganz schrumpelig und gerötet, mit Stoffwindeln und noch fest eingewickelt in ein großes Tuch. Vielleicht liegt es wirklich in der Krippe, vielleicht auch in den Armen Marias. Wenn das Kind gerade nicht schreit, dann ist das Schmatzen der Tiere zu hören und das Knistern des Feuers. Es riecht nach Stall und nach dem Essen, das gerade über dem Feuer zubereitet wird.
    Das, so stelle ich mir vor, haben die Hirten gesehen – und gerochen und gehört. Was sie gefühlt haben, als sie da an der Krippe standen? Ich kann mir nur eine Antwort vorstellen: „Das ist wie bei uns – das Kind, das ist einer von uns“. Die Hirten kennen diese Lebenssituation, auch sie übernachten nicht in den chicen Herbergen und auch in ihrem Leben ist nicht alles geregelt und geordnet; und wenn bei ihnen ein Kind geboren wird, dann sind die Umstände nicht viel anders wie jetzt in diesem Stall in Bethlehem.
    „Die Hirten lobten und priesen Gott für das, was sie gehört und gesehen hatten.“ Mir scheint, es geht wirklich um hören, sehen und fühlen, und nicht um das Verstehen. Ich kann mir bei aller Phantasie nicht vorstellen, wie die Hirten an der Krippe stehen, auf das Kind zeigen und zueinander sagen: „Seht, hier – der Messias – derjenige, den unsere heiligen Schriften und die Propheten seit langem ankündigen“ – und dann folgt eine ausführliche Erörterung über das Wesen des Messias, das auserwählte Volk, die Erfüllung der Schrift, etc. Nein, es ist viel einfacher: Völlig innerlich ergriffen zu sein, dass Gott einer von uns geworden ist – das ist alles. Und: Gott gibt damit auch alles! Es geht noch gar nicht um solche Fragen, ob der Messias die römischen Besatzer rauswerfen wird und ob er die Hoffnungen seines Volkes erfüllen wird. Das kommt später. Entscheidend ist erst mal nur, dass Gott einer von uns geworden ist, in aller Einfachheit und Bedürftigkeit. Die Hirten haben das begriffen.
    Die Hirten im Stall. Der Evangelist Lukas berichte nur, dass sie Maria und Josef die Worte des Engels berichteten. Ich finde, man kann sich nur schwer vorstellen, dass sie sofort danach wieder aus dem Stall verschwunden sind und die Eltern allein gelassen haben. Hirten sind nicht diejenigen, die nur schöne Worte machen und das war es dann. Vielleicht hat einer gebetet oder gesungen. Vielleicht jemand die Tiere gefüttert. Sich um das Essen gekümmert, damit Josef ganz bei seiner Frau sein kann. Vielleicht Feuerholz geholt. Und vielleicht hat auch jemand geholfen, dem Jesuskind die Windeln zu wechseln. Erst nachdem das alles getan war, sind die Hirten wieder nach Hause zurückgekehrt.
    Gott ist einer von uns geworden. Er hat mitten unter den Menschen Platz Menschen genommen. Die Hirten haben darauf eine Antwort gegeben, jeder eine andere, so wie es ihm entspricht. Und es gilt, auch selber darauf eine Antwort zu geben. Wie und wieweit kann ich mich diesem Jesuskind nähern: Betend – singend – jemandem die Arbeit abnehmend – die Windeln wechselnd? Gott ist einer von uns geworden.
Amen.