Predigt zum Hochfest „Taufe des Herrn“
am Sonntag, dem 13. Januar 2008
Evangelium: Mt 3, 13-17
Autor: P. Christoph Soyer SJ
Warum hat Jesus sich taufen lassen?
Antwort: Weil seine Mutter es wollte und ihn dazu gedrängt hat.
Jesus selbst wollte sich gar nicht taufen lassen
und die Begründung war für ihn klar:
Bei der Wassertaufe des Johannes im Jordan
geht es um die Vergebung der Sünden und Jesus sagt zu seiner Mutter,
warum soll ich mich denn taufen lassen,
wo ich doch sündlos bin? Die Antwort Jesu ist logisch,
aber gegen das Drängen einer Mutter ist jede Logik machtlos
– und so geht Jesus schließlich und lässt sich taufen.

So zumindest berichtet das Nazarenerevangelium,
eines der vielen überlieferten Evangelien,
die die Kirche als apokryph bezeichnet.
Die also von der Kirche als nicht vom Hl. Geist inspiriert
angesehen wurden und die deshalb nicht in das
Neue Testament aufgenommen wurden.
Das wohl zu Recht!

Es wäre in der Tat seltsam, wenn es so gewesen wäre,
wie das Nazarenerevangelium berichtet.
Auf der einen Seite ein Jesus, der genau weiß wer er ist:
frei von Sünde und im klaren Bewusstsein seiner göttlichen Sendung.
Auf der anderen Seite ein Jesus,
der sich von seiner Mutter sagen lässt, was er zu tun hat.
Es würde nicht gerade für eine menschliche Reife sprechen,
wenn ein Mensch von Anfang 30 von den Wünschen und Erwartungen
seiner Umgebung abhängig ist und ihnen gehorcht.
Anders gesagt: Bei der Identitätsbildung Jesu gäbe es noch einiges nachzuholen.

Die Frage bleibt aber: Warum lässt Jesus sich taufen?
Der Taufbericht bei Matthäus, den wir gerade gehört haben,
gibt darauf keine Antwort. Auch nicht
die Tauferzählungen, die in den drei anderen Evangelien berichtet werden.
Die Szenerie ist jedes Mal ähnlich:
Das Volk zieht zu Johannes an den Jordan.
So zwischen ein und drei Tagen dürften sie gegangen sein.
Es ist ein Kommen und Gehen.
Die Menschen kommen nicht nur, um sich taufen zu lassen,
sondern auch, weil es Gesprächsbedarf gibt.
Gesprächsbedarf, wer denn Johannes eigentlich ist.
 Im Taufbericht bei Lukas geht es darüber hinaus um die Frage,
wie man denn leben soll.
Die einzelnen Berufsgruppen fragen Johannes,
wie sie denn ihr alltägliches Leben gestalten sollen.
Und Johannes antwortet auf die Fragen,
er gibt Ratschläge und er fordert die Menschen auf,
ihr Leben in Ordnung zu bringen
– dazu auch die Taufe als sichtbares Zeichen.
   
Ich stelle mir das Ganze ein bisschen wie in Taizé in Burgund vor:
Viele Menschen, viele Gesprächen
– sein es in den Gruppen oder irgendwo am Rand,
im Mittelpunkt eine Tauf- und Versöhnungsfeier.
Das Ganze eingebettet in eine wunderbare Landschaft
unter strahlend blauem Himmel.
Die Atmosphäre ist einfach schön.
So etwas wie heitere Ernsthaftigkeit durchzieht das Ganze.
   
In dieser Szenerie taucht nun Jesus auf.
Völlig unspektakulär, er ist eben auch am Jordan angekommen.
Matthäus sagt weder, von wo Jesus gekommen ist,
noch warum er gekommen ist. Jesus ist einfach da.
Er reiht sich in das ein, was am Jordan los ist:
in die Gespräche und in die Taufen, die Johannes vollzieht.
Ich glaube, es ist bei Jesus so wie bei den anderen Menschen auch:
Gesprächsbedarf haben, etwas suchen,
was das Leben ordnet und ihm eine neue Richtung gibt.
Vielleicht ist es das, warum Jesus sich taufen lässt.
Damit es Neues passiert, etwas, das noch mal ganz anders ist
– und eben nicht von seiner Mutter oder sonst wem geschickt zu werden.
Dieses ‚Neue’ kann man nicht selbst produzieren.
So verstehe ich die Antwort Jesu auf den Einwand des Johannes,
der sich für unwürdig hält, Jesus zu taufen.
Dieses ‚lass es nur zu’ meint eben,
dass letztlich alles von der Barmherzigkeit Gottes abhängt.
Das Neue, das alles verändern kann, muss mir von jemand Anderen zugesagt werden.
Und genau dieses Neue passiert.
   
Der Himmel tut sich auf und eine Stimme von oben,
die zu ihm spricht: Du bist mein geliebter Sohn,
an Dir habe ich gefallen gefunden.
Damit ist alles anders.
Es ist ja nicht so, dass Jesus im Augenblick der Taufe von Gott
gleichsam als sein Sohn adoptiert worden wäre.
Jesus wird bei der Taufe nicht zum Sohn Gottes gemacht.
Sondern sein Sohn-sein wird offenbar.
Anders ausgedrückt: Hier und so passiert Identitätsbildung.
Wer Jesus ist, das ist er von Gott her und das wird ihm von Gott her zugesagt.
   
Auffällig finde ich, dass es bei dem Ganzen überhaupt nicht ums machen geht.
Der Text sagt nicht einmal, dass Johannes Jesus in das Wasser
getaucht hat und somit etwas gemacht hat.
Sondern es wird die passive Form verwendet:
„Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen.“
Das heißt, Identität wird nicht gemacht, sondern Identität wird geschenkt.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
   
Wie sieht diese Identität Jesu aus?
Die Stimme Gottes sagt zu ihm nicht: Du bist wichtig, oder:
Du bist der Beste, oder: Du wirst in den verschiedenen Situationen
 das Richtige tun, oder sonst was. Sondern nur: Du gefällst mit; Du bist schön.
   
Es geht also um Ästhetik. Darum, dass wir in den Augen Gottes schön sind.
Das gilt es wahrzunehmen.
Ich glaube, dass es darum auch in den liturgischen Feiern der Kirche
– und bei allen Feiern der Sakramente – geht,
aufmerksam zu werden für die Zusage Gottes,
die nicht nur Jesus, sondern jedem von uns gilt: Du gefällst mir.
Dass sie uns helfen, unsere Augen immer wieder zum Himmel zu erheben,
in der Erwartung, dass auch wir den Himmel offen sehen;
dass wir spüren, dass alles gut ist,
eben weil auch wir Söhne und Töchter Gottes sind. Amen.