Predigt zum Ersten Weihnachtstag 2007
Evangelium: Joh. 1, 1 - 18
Autor: P.Christoph Soyer S.J.
Liebe Gemeinde,
    Zwei Erzählungen von Anfängen. Gestern Nacht die Geburtsgeschichte nach Lukas, mit der Geburt im Stall von Bethlehem und den Hirten, denen diese Botschaft von den Engeln verkündet worden ist. Heute der Beginn des Johannes-Evangeliums mit der ganz ausdrücklichen kosmischen Dimension. Wenn Ihnen das gestern Nacht zu gefühlsbeladen, vielleicht auch zu sentimental vorgekommen ist und wenn es ihnen zu konkret ist, dass der allmächtige, ewige Gott in diesem neugeborenen Kind Mensch geworden sein soll, dann kann der Johannes-Prolog dazu ein Gegengewicht sein. Da durchweht so etwas wie ‚heiliger Ernst’ den Text. Aber man sollte sich hüten zu denken, die eine Erzählung ist für die etwas schlichteren Gemüter und die Kinder, die Bilder und das Gefühl brauchen, während der andere Text für diejenigen ist, die abstrakt denken können und die einen universalen Horizont haben.
    Beide Erzählungen berichten von Anfängen. Die Perspektive ist dabei völlig verschieden und die Form ist eine andere: bei Lukas ist es eine Erzählung, bei Johannes ein Hymnus, aber beide Anfänge sind natürlich aufeinander bezogen. Die Menschwerdung in der Krippe, in ihrer ganzen Anschaulichkeit [wie bei uns in der Weihnachtskrippe] ist nicht zu trennen von dem ‚Anfang der Anfänge’, wie es Johannes schreibt. Für den Evangelisten ist klar, dass die Menschwerdung nicht zu trennen ist von dem, wie Gott selbst ist. Die Menschwerdung ist nicht die etwas kuriose Idee Gottes, wie die Menschheit doch noch zu retten wäre. Der Johannesprolog zeigt, dass die Geburt Jesu hat eine göttliche Vorgeschichte hat und diese heißt: ‚ich, Gott, mache mich klein.’
    Das klingt erst mal paradox, denn wie kaum ein anderer biblischer Text atmet gerade der Prolog etwas von der Größe Gottes und seiner Schöpfung; da geht es um DAS Wort, um DAS wahre Licht, um DAS Leben. Da geht es nicht um Zufälliges, sondern um Absolutes und Ewiges.
    ‚Ich, Gott, mache mich klein.’ Das heißt, Gott beharrt nicht eifersüchtig auf seiner Göttlichkeit, so dass es daneben nicht anderes geben darf. Sondern er will dieses Andere, dasjenige, was wir Schöpfung nennen: die Welt, den Kosmos und schließlich den Menschen. Schöpfung meint ja gerade das, was nicht Gott ist. Die Schöpfung Gottes zeichnet sich dadurch aus, dass Gott ‚im Prinzip’ schafft. Wenn es im Evangelium heißt: „Im Anfang war das Wort und alles ist durch dieses Wort geworden“, dann können wir auch übersetzen „Als Prinzip war das Wort und in diesem Prinzip ist alles geworden“. Das bedeutet ein Zweifaches: Zum einen, dass in der Welt etwas von der Logik des Wortes, des Logos – also der zweiten göttlichen Person – eingeschrieben ist; die Logik der Welt ist ‚logoshaft’, von einer göttlichen Vernunft durchdrungen. Zum anderen bedeutet es, dass Gott wirklich nach einem allgemeinen Prinzip schafft, das aber, gleich einem Samenkorn, Platz lässt für die kreative Entfaltung, für Entwicklung, Neuerungen und somit für Autonomie. Durch die Schöpfung schafft Gott Raum für etwas anderes. Dadurch, dass er nur ‚im Prinzip’ schafft, nimmt Gott sich selbst zurück. Er schafft gleichsam ‚ergebnisoffen’ und gibt etwas von seiner Allmacht aus seiner Hand.
    Die Welt wird so der Ort, an dem sich das Wort Gottes und der Mensch als Abbild Gottes begegnen können. Der Mensch hat die Aufgabe, das fortzuführen, was im Logos – im Prinzip – vorgegeben ist. Man kann es auch mit dem Bild des Spielens ausdrücken: Die Schöpfung, das heißt zu zweit zu spielen, während es doch (für Gott) viel einfacher wäre, alleine zu spielen, allmächtig und ohne zu teilen. In der Schöpfung macht sich Gott so klein, dass der Mensch zum Mitspieler Gottes geworden ist.
    Die Welt trägt seit Anbeginn die Spuren des göttlichen Wortes – des Logos – in sich. So kann der Evangelist Johannes auch sagen, dass er bei der Menschwerdung in sein Eigentum kam. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Das, was wir an Weihnachten feiern, dass Gott wirklich Mensch geworden ist. Und es folgt derselben Linie, die in der Schöpfung schon vorgegeben ist. Es geht nicht um eine Demonstration der Macht Gottes, oder dass dem Menschen eine von Gott bestimmte Ordnung auferlegt ist, die es zu erfüllen gilt. Oder dass das Verhältnis von Gott und Mensch, wie so häufig in der Religionsgeschichte, eine Beziehung der Gewalt und der Furcht ist. Nichts von alldem. In der Menschwerdung folgt Gott seiner eigenen Logik des ‚sich klein Machens’. Und zwar so klein, dass Gott in sich selbst Platz für den Menschen schafft. Um beim Bild des Spieles zu bleiben: Weihnachten ist die Einladung Gottes an den Menschen, am ewigen Spiel seiner Gemeinschaft teilzunehmen.
    Mit diesem Bild des Spielens (und den ganzen Assoziationen, die wir dabei haben, vielleicht auch weil sich unter unseren Geschenken auch einige Spiele befunden haben) bin ich fast wieder bei der gefühls- und bildgeladenen Weihnachtsgeschichte von gestern Abend. „Das ewige Spiel seiner Gemeinschaft“, Johannes drückt es nüchterner aus: Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.
Amen.