Predigt zum Zweiten Sonntag im Advent (B) am 4. Dezember 2011 |
Lesung: Jes. 40, 1 - 5 . 9 - 11 Evangelium: Mk. 1, 1 - 8 Autor: P.Heribert Graab S.J. |
“Tröstet, tröstet mein Volk!” Mit diesen eindringlichen Worten beginnt heute die Lesung. Trösten - das ist eines der Schlüsselworte des Advent. Werfen Sie nur mal einen Blick ins ‘Gotteslob’! Immer wieder geht es in den Liedern zum Advent um den ‘Gott allen Trostes’ (2.Kor. 1,3), um Gott als den ‘Trost der ganzen Welt’, um den ‘Töstergott’, der auch unsere Not und unser Leid wendet. Schauplatz der Verheißung des Jesaja in der Lesung, und auch Schauplatz der beginnenden Erfüllung dieser Verheißung im Evangelium ist die ‘Wüste’. Die Wüste aber ist damals wie heute ein Ort der Trostlosigkeit. In der Lesung wie im Evangelium steht die Wüste als Bild für die Tostlosigkeit einer sich autonom gebenden, gottfernen und daher sich selbst überlassenen Menschheit. Immer wieder manövrieren sich ganze Völker und menschliche Gesellschaften, ja sogar die gesamte Menschheit in eine ganz und gar ausweglose Lage. Israel hat das in seiner Geschichte oft und oft erfahren - so auch zur Zeit des Jesaja. Wir selbst haben es auf eindringliche Weise im sogenannten Dritten Reich erfahren und in der Katastrophe von 1945. Und die schrankenlose Gewinnorientierung der ‘Märkte’ könnte heute letztendlich die ganze Menschheit in die Trostlosigkeit einer weltweiten wirtschaftlichen Katastrophe führen. In solchen Situationen sind es vor allem die unmittelbar betroffenen Opfer, die sehnsüchtig klagend Ausschau halten nach einer Wende ihres Schicksals, nach einem wirksamen Trost in ihrer existentiellen Not. Erst in der Betroffenheit solcher Elendssituationen werden viele unserer Adventslieder erst wirklich nachvollziehbar: ∙ Tauet, Himmel, aus den Höhn, tauet den Gerechten... Komm, du Trost der ganzen Welt. Oder: ∙ Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt... Komm, tröst uns hier im Jammertal. Oder: ∙ Aus hartem Weh die Menschheit klagt: wann kommt, der uns ist zugesagt? O Herr und Gott, sieh an die Not... Dies letzte Lied wurde übrigens unter dem Eindruck der zunehmenden Greuelherrschaft der Nazis und angesichts des drohenden zweiten Weltkrieges von Christen in Deutschland ganz neu entdeckt und im “Kirchenlied” 1938 mutig veröffentlicht. Aber selbstverständlich gibt es auch im ganz persönlichen Leben jedes Einzelnen immer wieder grenzenloses Leid, das nach einem ‘Tröster’ regelrecht schreit: Für viele ist der Krebs eine ausweglose Bedrohung ihres Lebens. Andere sind zutiefst betroffen von unheilbarer Krankheit oder tödlichem Unfall lieber Menschen. Für nicht wenige zerstört auch die eigene soziale Situation alle Aussichten auf eine lebenswerte Zukunft, so daß das ganze Leben als sinnlos erscheint. Wer mag da schon mit Jochen Klepper einstimmen in sein hoffnungsvolles und trostreiches Lied “Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern... Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein...” Leider haben die Worte ‘Trost’ und ‘trösten’ bei uns keinen wirklich guten Klang. Spontan verdächtigen wir jedweden Trost als ‘billigen Trost’. Allenfalls Kinder können und müssen getröstet werden. Aber brauchen nicht aus wir als Erwachsene immer wieder Trost - auch wenn es uns schwer fällt, das zuzugeben? Wie aber geht das - trösten? Und wie geht das so, daß es wirklich hilft? Natürlich ist der wirksamste Trost die ganz konkrete Hilfe, die die Ursache des Leidens beseitigt. Eine solche Hilfe ist längst nicht immer möglich, aber doch häufiger, als wir aus Bequemlichkeitsgründen glauben möchten. ∙ Praktische Hilfe setzt offene Augen voraus, die die Not des anderen zunächst einmal überhaupt sehen. ∙ Praktische Hilfe braucht phantasievolle Kreativität, um gangbare und unter Umständen auch ungewöhnliche Wege konkreter Hilfe gehen zu können. ∙ Praktische Hilfe setzt vor allem voraus, daß wir uns Zeit nehmen füreinander, und uns nicht scheuen, die Ärmel hochzukrempeln. Hilfreichen Trost schenkt darüber hinaus aber jede zwischenmenschliche Zuneigung - mag die in Worten und Gesten zum Ausdruck kommen oder gegebenenfalls auch in zärtlich tröstender Berührung. Wichtig ist, daß der andere spürt: Ich bin nicht allein gelassen. Da ist jemand, ∙ dem bin ich wichtig, ∙ dem ist meine Not nicht gleichgültig, ∙ der nimmt sich Zeit für mich, ∙ der gibt mir Mut und Kraft, die schlimme Situation durchzustehen. Und wie ermutigt und tröstet man ein ganzes Volk? Sicher nicht durch leere Phrasen und Wahlkampfparolen! Auch da sind an erster Stelle Taten gefragt. Allerdings wird auch ‘trostreiche’ Politik ohne Worte und Gesten nicht auskommen. Entscheidend ist, daß solche Worte und Zeichen glaubwürdig sind und realistische Perspektiven aufzeigen. Glaubwürdig sprechen kann jedoch nur jemand, der persönlich durch und durch glaubwürdig ist, also jemand, der nicht in die eigene Tasche wirtschaftet, nicht die eigenen Schäfchen ins Trockene bringt, sondern restlos und überzeugend auf der Seite der Schwachen steht und sich für sie engagiert. Das erwarten wir von den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen. Und wir selbst? Wir sind damit keineswegs ‘aus dem Schneider’! Wir können und müssen auch selbst einiges tun: ∙ Wir können und müssen z.B. den Mund aufmachen, wo Notleidende selbst keine Stimme haben. ∙ Durch unsere Solidarität können wir ihnen durchaus zeigen, daß sie nicht allein gelassen werden. ∙ Dazu müssen wir uns gelegentlich z.B. die Zeit nehmen, auch auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. ∙ Da ist es nicht selten hilfreich, uns mit unserer Unterschrift, z.B. unter eine Petition, für ein Not-wendendes Anliegen stark zu machen. Es geht nicht um blinden Aktionismus; wohl aber um jene ‘Parteilichkeit’ Gottes für die Leidenden, die ER vor allem durch uns sichtbar und wirksam machen will. Denn theologisch zutreffend heißt es: Gott braucht, um Not zu wenden und zu trösten, unsere Hände und unsere Füße, aber eben auch unser Mitdenken und nicht zuletzt unsere Worte, die Seiner Botschaft Gehör verschaffen! Damit stellt sich schließlich die Frage: Wie tröstet Gott? Bzw. inwieweit kann unser Glaube trösten? Auch da gilt: Zunächst hilft und tröstet Gottes Handeln: Vom Handeln Gottes durch Mitmenschen war schon die Rede. Zudem bin ich überzeugt: Gott handelt generell und tröstet also auch unmittelbar. Es gibt keine Zufälle! Was uns ermutigend, belebend, Kraft spendend und also tröstende ‘zufällt’, fällt uns von Gott her zu. Einen lebendigen Glauben braucht es, solche ‘Zufälle von Gott her’ als solche zu erkennen. Gott handelt sodann zu allen Zeiten durch Jesus Christus. Jesus ist mit einem jeden von uns durch die Dunkelheit des Todes gegangen - nicht nur irgendeines Todes, sondern durch den Tod am Kreuz ist Er in die tiefsten Abgründe menschlichen Lebens und Sterbens hinuntergestiegen. Durch den Tod hindurch ist Er - uns allen voran - hinaufgestiegen in das helle Licht des Ostermorgens. Dieses befreiende Handeln Gottes im gekreuzigten und auferstandenen Christus ist nicht geschichtliche Vergangenheit, sondern ‘tröstende’ und Leben spendende Gegenwart. Wir feiern dieses ‘Geheimnis unseres Glaubens’ immer wieder dort, wo es am dichtesten präsent ist: In der Eucharistie. Aus dieser Glaubenserfahrung heraus dürfen und können wir auch einander trösten mit der österlichen Botschaft. (Cf. 1. Thess. 4, 18). Im Vierten Hochgebet der heiligen Messe heißt es: “Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, der für gestorben und auferstanden ist, hat er von dir, Vater, für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt, der das Werk deines Sohnes auf Erden weiterführt.” Die Sendung dieses Gottesgeistes hat Jesus in Seiner großen Abschiedsrede verheißen: Der Vater werde Ihn uns geben als ‘Beistand’, der für immer bei uns bleiben werde; als ‘Tröster’ also gerade in dunklen Stunden. (Cf. Joh. 14, 16). Regelmäßig in der Heiligen Schrift zu lesen und sich täglich die Zeit und Ruhe zum Gebet zu gönnen - das trägt wesentlich dazu bei, den Glauben als eine Quelle des Trostes zu erfahren. Und sehr viele Christen haben in der Schriftlesung selbst und im Gebet Trost gefunden. Auf ihre Erfahrung dürfen wir auch wir in unserem Leben vertrauen. Amen. |