| Wenn von Osterbrauchtum die Rede ist, wird eine Tradition kaum je erwähnt,
 obwohl die sozusagen in allen katholischen Kirchen
 ganz selbstverständlich praktiziert wird:
 Überall nehmen in diesen Tagen katholische Christen
„Osterbildchen" mit nach Hause.
 Wenigstens für ein Jahr bekommen sie ihren Platz
 im persönlichen Gebetbuch
 und erinnern immer wieder - ja woran eigentlich?
 Ursprünglich waren diese Osterbildchen
Erinnerung an Osterbeichte und Osterkommunion.
 In einer Zeit seltenen Sakramentenempfangs
 war es sinnvoll, sich immer wieder bewußt zu machen,
 daß diese Sakramente fortwirken
 und ihre Konsequenzen haben für das leben im Alltag.
 Inzwischen ist der Empfang des Sakramentes der Versöhnung
zwar eher noch seltener geworden,
 der Empfang der Heiligen Kommunion gleichzeitig
 jedoch wesentlich häufiger.
 So erinnern die Osterbildchen heute
 vor allem an die jährliche Feier des Festes aller Feste,
 an die Feier der „Mitte" unseres Glaubens.
 Und im Laufe des Jahres können und sollen sie
 uns immer wieder zu Bewußtsein bringen,
 daß jeder Sonntag ein kleines Osterfest ist,
 und daß wir in jeder Eucharistiefeier
 das eigentliche Geheimnis des Glaubens präsent ist:
 „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir,
 und deine Auferstehung preisen wir,
 bis du kommst in Herrlichkeit."
 So ist auch das Thema unseres diesjährigen Osterbildchens
das österliche Abendmahl Jesu,
 sozusagen die Keimzelle einer jeden Eucharistiefeier.
 Der flämische Maler Dirk Bouts
 hat dieses Abendmahl um 1450 gemalt.
 Und er hat dies Abendmahl nicht historisierend gemalt.
Er hat es vielmehr ganz unbefangen
 in seine eigene Zeit und in sein gesellschaftliches Umfeld übertragen:
 Jesus feiert das Abendmahl in der „guten Stube"
 einer gut bürgerlichen Familie des 15. Jahrhunderts.
 Konkret: Das, was sich damals in Jerusalem ereignete,
 soll jeweils heute lebendig werden -
 und das nicht nur in der Kirche,
 sondern bei uns daheim!
 Da sitzt also eine Tischgemeinschaft zusammen,
die einander offensichtlich in Freundschaft verbunden ist,
 eine Gemeinschaft, deren Mittelpunkt Jesus Christus ist,
 eine Gemeinschaft, die Geborgenheit und Frieden ausstrahlt,
 eine Gemeinschaft, die sich - das deutet die offene Tür im Hintergrund
an -
 keineswegs abkapselt und einigelt.
 Einer kommt sogar „von außen" dazu
und steht noch ein wenig unschlüssig am Rande:
 Das ist der Maler selbst - Dirk Bouts.
 Offenkundig hat er den Wunsch, dazu zu gehören
 und teilzuhaben an dem großen Frieden,
 den diese Szene ausstrahlt.
 In unserer Zeit heute,
da an die Stelle des gemeinsamen, kommunikativen und friedvollen „Mahles"
 häufig die bloße „Nahrungsaufnahme" getreten ist,
 lohnt es sich, daran zu erinnern,
 daß Mit-einander-Mahlzeit-halten Gemeinschaft und Frieden stiftet,
 daß Jesus Christus selbst in unserer Mitte sein will,
 wenn wir als Christen zum täglichen (!) Mahl zusammenkommen -
 sei es in der Familie oder auch im Freundeskreis;
 lohnt es sich, daran zu erinnern,
 daß auch heute unsere Türen offen stehen sollten,
 und daß der alte Brauch auch heute,
 und vielleicht gerade heute sinnvoll ist:
 ein zusätzliches Gedeck bereitzustellen
 „für den Herrn", wenn er kommt -
 wenn er kommt vielleicht in der Gestalt eines Menschen,
 der unsere Gastfreundschaft dringend braucht.
 Damit kommt in diesem Abendmahlsbild des Dirk Bouts
der soziale und diakonische Aspekt
 des Abendmahles und jedes Mahles ins Spiel -
 jener Aspekt, der uns ein wenig aus dem Gesichtsfeld geraten ist,
 wenn wir uns zur Eucharistie versammeln,
 aber auch wenn wir im Alltag oder bei einem Fest
 miteinander speisen.
 Gerade diese Seite des Mahles hebt jedoch das heutige Evangelium hervor.
 Für Matthäus, Markus und Lukas 
steht die Einsetzung der Eucharistie
 im Vordergrund ihrer Abendmahlsberichte:
 „Tut dies zu meinem Gedächtnis!"
 Johannes dagegen stellt die „Fußwaschung" in den Mittelpunkt.
 Für ihn ist diese diakonische Zeichenhandlung
 das eigentliche Sakrament:
 „Ich habe euch ein Beispiel gegeben,
 damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe."
 All denen, die Sonntag für Sonntag mit der Gemeinde 
das eucharistische Mahl feiern,
 ist dessen christologische Dimension selbstverständlich.
 Wenn wir heute jedoch neben dem Mahl mit Brot und Wein
 auch das Zeichen der „Fußwaschung" lebendig werden lassen
 in einer symbolischen „Schuhputzaktion",
 an der sich möglichst alle beteiligen sollten,
 dann gewinnen wir vielleicht auch einen neuen Zugang
 zur diakonischen Dimension dieser Feier.
 Ich wünsche uns allen,
 daß dies Verständnis von Eucharistie in uns nachwirkt
 und sich bis hinein in unseren Alltag auswirkt.
 Amen. |