| Wir haben heute abend eingeladen zur Feier des Abendmahles Jesu.
 Und das, obwohl von den vier Evangelien
 nur drei über die Einsetzung des Abendmahles berichten -
 außerdem allerdings der erste Korintherbrief des Paulus.
 Das Johannesevangelium überliefert vom gleichen Abend
 eine andere Begebenheit:
 Die der Fußwaschung.
 Sehr bewußt erzählt Johannes, 
der als letzter sein Evangelium aufschrieb,
 genau an der Stelle,
 an der jeder Christ den Abendmahlsbericht erwartete,
 die Geschichte der Fußwaschung.
 Darin steckt eine Botschaft:
Wenn Ihr Abendmahl feiert,
 dann tut es bitte in der Gesinnung der Fußwaschung.
 Jesus Christus ist gewiß in Eurer Mitte,
 wenn Ihr miteinander dieses Mahl feiert;
 aber nur dann, wenn Eure Mahlgemeinschaft
 zugleich eine Gemeinschaft des Dienstes füreinander ist.
 Die Fußwaschung ist ein sakramentales Zeichen.
Und dieses Zeichen steht für jeden noch so geringen Dienst,
 den Ihr für andere tut.
 Zur Zeit Jesu war es ein alltäglicher Dienst der Gastfreundschaft,
 Fremden und Gästen, die ins Haus kamen,
 die Füße zu waschen.
 Unserer heutigen Erfahrungswelt entspricht es eher,
einem anderen die Schuhe zu putzen,
 obwohl z.B. in unseren Hotels schon lange
 die schuheputzenden Zimmermädchen
 durch Automaten ersetzt sind.
 Aber ich erinnere mich noch gut daran,
 daß wir als Kinder reihum die Schuhe der ganzen Familie putzen
mußten
 und davon keineswegs immer begeistert waren.
 Und in meiner Kindheit traf man an jedem Bahnhof
 gleich mehrere Schuhputzer,
 die mit den entsprechenden Utensilien
 ihre Dienste anboten.
 Die Schuhputzer an unseren Bahnhöfen sind zwar verschwunden,
aber in vielen Ländern der sog. Dritten Welt
 verdienen immer noch unzählige Straßenkinder
 als „Shoeshine-Boys" einen dürftigen Lebensunterhalt.
 Wir laden in St.Michael seit etlichen Jahren
am Gründonnerstag zu einer zeichenhaften Schuhputzaktion ein.
 Ein Zeichen also - aber wofür???
 Die meisten von Ihnen kennen dazu das Wort Jesu:
„Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein,
 und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.
 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen,
 um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen."
 Jesus möchte also den Kreis Seiner Jüngerinnen und Jünger,
und also auch unsere Gemeinde,
 verstanden wissen als eine Dienstgemeinschaft.
 Die Apostelgeschichte berichtet,
 daß die ersten christlichen Gemeinden
 von einem solchen Gemeindeverständnis geprägt waren.
 Und die Apostelgeschichte fügt hinzu,
 dieses gelebte Füreinander-Dasein
 habe auf Außenstehende so faszinierend gewirkt,
 daß sich täglich Menschen den jungen Gemeinden anschlossen.
 Vor nicht einmal zwei Wochen
hat hier an dieser Stelle Bischof Wanke von Erfurt
 darüber gesprochen, wie das heute wieder möglich werden könnte,
 wie wir heute „missionarische Kirche" sein könnten.
 Und sinngemäß war eine seiner zentralen Antworten auf diese
Frage
 genau die:
 Wir müssen wieder Menschen für andere,
 Gemeinde für andere, Kirche für andere sein!
 Dabei geht es gar nicht in erster Linie darum,
Menschen zu gewinnen, sich taufen zu lassen.
 Vielmehr kommt es darauf an,
 daß wir glaubwürdig das Evangelium leben,
 daß wir als Einzelne und als Gemeinde transparent sind
 für die einladende und entgegenkommende Liebe Gottes,
 und daß wir so ein wenig dazu beitragen,
 Menschen eine Erfahrung dieser Güte Gottes zu ermöglichen.
 Bewußt oder unbewußt sehnen sich so viele
 nach einer solchen Erfahrung.
 Immer wieder begegnen mir 
gerade im Umfeld unserer Innenstadtkirche
 und auch in dieser Kirche selbst
 Menschen, die auf der Suche sind.
 Und wenn sie irgendwann - oft nach langer Zeit -
 den Mut aufbringen, mich als Pfarrer darauf anzusprechen,
 dann sind in aller Regel Begegnungen vorausgegangen
 mit liebenswürdigen, freundlichen,
 hilfsbereiten, glaubwürdigen,
 einladenden und ganz einfach „menschlichen" Christen.
 Wie gehen wir miteinander um?
Gehen wir auf Menschen zu,
 die wir noch nie im Gottesdienst gesehen haben?
 Knüpfen wir Gespräche an?
 Können wir zuhören?
 Sind wir in der Lage, Kontakte zu knüpfen
 und Kontakte herzustellen für Menschen,
 die Anschluß suchen?
 Grüßen wir auch im Alltag und auf der Straße Menschen,
 deren Gesicht wir schon des öfteren in St.Michael gesehen haben,
 die vielleicht am letzten Sonntag neben uns in der Bank saßen?
 Haben wir ein offenes Ohr für diese oder jene bescheidene Bitte?
 Oder wird uns all das zuviel, zu lästig?
 Es geht also nicht um ein großartiges Engagement.
Es geht viel mehr um eigentlich Selbstverständliches.
 Und all diese liebenswürdigen „Selbstverständlichkeiten"
vieler Einzelner
 machen die Gemeinde als ganze zu einer einladenden,
 wenn Sie so wollen, zu einer „missionarischen" Gemeinde.
 Solche „Kleinigkeiten" machen übrigens auch
die innere Athmosphäre einer Gemeinde aus
 und tragen viel dazu bei, daß wir alle miteinander
 uns in dieser Gemeinde wohlfühlen.
 Und genau das bleibt auf Dauer auch nach außen nicht verborgen
 und wirkt anziehend auf viele, die noch außen vor stehen.
 So sehr eine Gemeinde auch von solchen Kleinigkeiten 
und Selbstverständlichkeiten lebt,
 so sehr braucht sie auch
 - und das sei heute abend nicht verschwiegen -
 die ausdrückliche und engagierte Mitarbeit möglichst vieler
ihrer Mitglieder.
 Ich bin glücklich, in einer Gemeinde zu leben und zu arbeiten,
in der sehr, sehr viele Menschen aller Generationen
 durch ganz unterschiedliche Dienste
 das Leben der Gemeinde gestalten und mittragen.
 Aber gerade in einer so „mobilen" Stadt wie Göttingen
 ist es jederzeit notwendig,
 für ausscheidende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
 andere zu finden, die neu einsteigen.
 Und da eine lebendige Gemeinde auch immer wieder
 neue Bereiche entdeckt,
 in denen das Engagement von Christen gefragt ist,
 müßte der Kreis der Engagierten auch weiter wachsen.
 Wenn Sie ein wenig dazu beitragen möchten,
lassen Sie sich doch anregen durch einen Handzettel,
 den Ministranten während der Schuhputzaktion verteilen.
 Sie sollten sich nicht durch die Beispiele einengen lassen.
 Lassen Sie vielmehr Ihrer Phantasie freien Lauf,
 und bringen Sie auch eigene Ideen und Vorstellungen ein.
 Ausgefüllte Zettel können Sie noch während dieses Gottesdienstes
 einfach in die Kollektenkörbchen werfen.
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