Predigt zum 7. Ostersonntag am 1. Juni 2003
„Nachschrift" einer ohne Manuskript vorgetragenen Predigt zum Thema „Gemeinsames Abendmahl" von P.Heribert Graab S.J. Die Nachschrift ist aus dem Gedächtnis niedergeschrieben und ist daher nicht wortwörtlich identisch mit der mündlichen Predigt. Sie enthält auch geringfügige Ergänzungen zum besseren Verständnis.
Heute soll es nicht um eine der Schriftlesungen dieses Sonntags gehen -
allenfalls um Stichwort-Assoziationen zu „Liebe" und „Einheit".
Das Thema dieser Predigt soll ein Aspekt des Ökumenischen Kirchentages sein -
nicht einmal der Wichtigste, wohl aber der in den Medien meist diskutierte:
Die Frage nach einem „gemeinsamen Abendmahl".

Mich ärgert die auf Skandale spekulierende Berichterstattung der Medien:
Es gab und gibt keine noch so kleine Bemerkung zum Kirchentag,
ohne daß das durch den Papst „verbotene" gemeinsame Abendmahl zur Sprache gekommen wäre -
als ob es nichts Wichtigeres vom Kirchentag zu berichten gäbe!
Breit und ausführlich wurde zum Beispiel über ein „Gemeinsames Abendmahl"
in der evangelischen Gethsemani-Kirche berichtet.
Und bei dieser Feier handelte es sich nicht einmal um ein „Gemeinsames Abendmahl",
sondern um ein „Offenes Abendmahl", bzw. um praktizierte „Eucharistische Gastfreundschaft".
Ein katholischer Priester hat nach katholischer Liturgie 
in einer evangelischen Kirche Eucharistie gefeiert. 
Und dazu waren viele evangelische Christen herzlich willkommen.

Katholische Eucharistie in einer evangelischen Kirche?
Wir feiern alle vierzehn Tage die Eucharistie
in der evangelischen Kirche von Reinhausen.
Kein Problem!
Einladung an evangelische Christen zum Tisch des Herrn?
In begründeten Einzelfällen auch „offiziell" kein Problem!
Auch in St.Michael sind uns evangelische Christen - z.B. aus unserer Nachbargemeinde -
herzlich willkommen - 
jeweils mit dem ausdrücklichen Hinweis,
daß sie mit uns den Glauben an die Gegenwart Jesu Christi in Brot und Wein teilen.
Das ist eine „Einschränkung", die selbstverständlich auch für katholische Christen gilt!
Aber all das ist noch lange keine „Gemeinsame Abendmahlfeier".
Die gab‘s beim Katholikentag in Hamburg,
als Pastoren, Pfarrer, Priester verschiedener Konfessionen
gemeinsam um den Altar standen und miteinander die Einsetzungsworte sprachen.
Das brachte damals dem beteiligten katholischen Priester einigen Ärger.
Genau darum aber ging es in der Gethsemani-Kirche nicht.

Gegen eine „Gemeinsame Abendmahlfeier" gibt es in der katholischen Kirche durchaus Bedenken;
unter Umständen sogar gegen „Eucharistische Gastfreundschaft".
Diese Bedenken sind sicherlich auch theologischer Natur:
Es gibt zwar sehr gute Gründe für das Miteinander am Tisch des Herrn;
aber es gibt auch sehr gute Gründe dagegen:
Längst nicht alle Unterschiede im theoretischen Glaubensverständnis sind wirklich überwunden.
Solche Unterschiede beziehen sich nicht einmal in erster Linie auf das Eucharistieverständnis selbst.
Da gibt es - jedenfalls zwischen der katholischen Kirche und lutherischen Kirchen - 
schon länger sogenannte „Konsenspapiere".
Und gerade zur Eucharistiefrage gibt es auch gewichtige Unterschiede zur Orthodoxie,
die dennoch keineswegs wirklich trennenden Charakter haben.

Schwerwiegender ist zwischen evangelischen und katholischen Christen
vielleicht das unterschiedliche Kirchen- und Amtsverständnis.
Daran aber wird seit Jahren intensiv gearbeitet.
Mit ein wenig Geduld müßten sich da in absehbarer Zeit akzeptable Lösungen ergeben.

Persönlich sehe ich in der Abendmahlspraxis etlicher evangelischer Kollegen das größere Problem.
Diese Praxis ist in vielen Fällen noch längst nicht auf dem Niveau der „Konsenspapiere".
Zwei Beispiele, die ich selbst erlebt habe:

Bei einer „Ökumenischen Trauung" mit Abendmahl
lagen zwei große, selbstgebackene Brotlaibe auf dem Altartisch.
Kein Problem! Das kann es gelegentlich auch in einer katholischen Kirche geben.
Beide Laibe wurden „konsekriert".
Für die Austeilung des Abendmahles jedoch wurde nur ein sehr kleiner Teil 
eines einzigen Brotes benötigt.
Was übrig blieb, überreichte der Pastor den Brautleuten für das Hochzeits-Buffet,
wo es zwischen Schinken und Käse dem Hochzeitsmahl diente.

Diese Praxis, die für katholsiche Glaubensverständnis nicht nachvollziehbar ist,
entspricht jedoch durchaus dem evangelischen Verständnis,
nach dem Christi Gegenwart unter der Gestalt des Brotes 
sich nur auf die Abendmahlsfeier selbst bezieht.
Dieser Unterschied im Abendmahlsverständnis muß nicht unbedingt trennenden Charakter haben.
Wir erwarten von evangelischen Christen ja auch nicht,
daß sie mit uns „eucharistische Anbetung" praktizieren,
selbst wenn sie gläubig an unserer Eucharistiefeier teilnehmen.
Wohl aber ist die genannte Praxis für katholische Christen verletzend
und daher ein Hindernis für ein gemeinsames Abendmahl.

Ein zweites Beispiel, das sehr viel mit dem unterschiedlichen 
Kirchen- und Amtsverständnis zu tun hat:
Ein evangelischer Christ bat darum, 
zu Ostern an der katholischen Eucharistie teilnehmen zu dürfen,
weil das Abendmahl für ihn zum Osterfest einfach dazu gehörte,
und weil in seiner eigenen Kirche an diesem Tag nicht ein ordinierter Pastor,
sondern ein „Laie" der Abendmahlsfeier vorstand.

Auch dieses Beispiel ist sicherlich nicht die Regel.
Aber es ist nach evangelischem Amtsverständnis immerhin möglich
und wohl auch nicht ganz selten.
Unter diesen Umständen ist generell ein „Gemeinsames Abendmahl" nicht möglich. 
Und wenn ein Papst sich dazu äußert,
kann er das nur „generell" und im Blick auf die ganze Kirche tun.

Möglicherweise ergeben sich „vor Ort", wo man sich lange und gut kennt,
wo man um die Gemeinsamkeit im Verständnis des Abendmahls weiß,
und wo man mit viel Fingerspitzengefühl und Hochachtung
aufeinander Rücksicht nimmt,
andere Konsequenzen.

Der Ökumenische Kirchentag hat offenkundig viel dazu beigetragen, 
einander kennenzulernen und aufeinander zuzugehen.
Sehr viele Gemeinsamkeiten - viel mehr als Trennendes - ist sichtbar geworden.
Von diesem Kirchentag gehen hoffentlich starke Impulse aus
für eine etwas schnellere Gangart in der Ökumene.
Dennoch kann man nicht beim Bau eines Kirchturms 
den Hahn oder das Kreuz als erstes in die Luft hängen.
Wir sind schon weit fortgeschritten beim Bau der Ökumene.
Aber beim „Hahn" sind wir wohl noch nicht angelangt.

Es gibt noch einiges zu tun:
Beim theoretischen Glaubensverständnis und bei der konkreten Praxis.
In der katholischen Kirche und in unseren evangelischen Schwesterkirchen.
Packen wir‘s an!
Ohne Rechthaberei und in geschwisterlicher Rücksichtnahme!

Amen.