3. Fastenpredigt am 26. Februar 2005
"Wes Geistes Kind sind wir?"
Lesung: Eph. 1, 13 - 19
Autorin: Dipl.theol. Mechthild José-Thumbeck
In der Reihe unserer diesjährigen Fastenpredigt
„Glauben – Risiken und Nebenwirkungen“,
die das christliche Glaubensbekenntnis zum dreifaltigen Gott
in den Mittelpunkt stellt, sind wir heute Abend  bei der 3. göttlichen Person angerückt: dem Heiligen Geist.
Deshalb konzentriert sich alles erst einmal auf ihn,
wenn es um die Frage geht: „Wes Geistes Kind sind wir?“

So manche Bilder, Vorstellungen und Gedanken kommen uns dabei in den Sinn. Wir erinnern uns vielleicht an Symbole für den Heiligen Geist, die uns von Kindesbeinen an überliefert worden sind: Atem, Wind, Sturm, Feuer, Feuerszungen, Taube, Tröster und Helfer in der Not.
Mir fällt dabei eine Szene aus meiner Kindheit ein. Immer wenn ich Angst vor einer Klassenarbeit hatte, gab meine Mutter mir den Rat:
„Dann beste vorher zum Heiligen Geist, und dann klappt das schon.“
Meistens ging die Strategie auf.
Das ist aber ein utilitaristischer Ansatz, den Ihre Mama Ihnen damals vermittelt hat – werden Sie vielleicht einwenden.
Für mich als kleines Mädchen war dieses Stoßgebet zum Heiligen Geist jedenfalls eine Hilfe, mit einer solchen belastenden Situation klar zukommen. –

Was hat es nun mit dem Heiligen Geist auf sich?
Wie kann man sich ihn – oder sie – vorstellen?
Und vor allem: was stellt er so an?

Irgendwie fällt er schon etwas aus dem Rahmen dieser Heilige Geist.
Gott Vater und Sohn, die beiden kann man sich vielleicht noch vorstellen – aber so etwas wie den Heiligen Geist? Bei den beiden ersten können wir uns
schließlich auf die Heilige Schrift berufen. Die bezeugt uns beispielsweise, wie Jesu seinen Jüngern das Beten lehrte: „Vater unser im Himmel – so sollt ihr beten.“
(Mt 6,9) Oder wie Gott sich zu seinem Sohn bekannt hat in der Taufe im Jordan:
„Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ (Mt 3,17).
Vater, Sohn, Heiliger Geist – da ist einmal von familiären Beziehungen die Rede, und andererseits von etwas Geistigem, dazu noch etwas Heiligem, etwas, was sich unserer Wahrnehmung entzieht.

Da helfen meiner Meinung nach auch nicht solche Konstrukte, wie sie von manchen feministischen Theologinnen forciert werden.
Diese drehen den Spieß einfach um und sprechen
„Im Namen der Mutter, der Tochter und der Heiligen Geistin“.

Zugegeben: in dieser weiblichen Rede von Gott kommen wir Frauen mit einem Teil unserer Lebensbezüge mehr vor.
Auch würde es manchem von uns leichter fallen, sich Gott wie eine Mutter vorzustellen, vor allem dann, wenn die persönliche Beziehung zum eigenen Vater nicht die allerbeste ist.
Und vielleicht hätten wir Frauen auch einen anderen Stellenwert in der Kirche, die überwiegend immer noch in männlichen Bildern von Gott redet.

Aber würde eine solche Umwandlung von einer männlichen in eine weibliche Gottesvorstellung uns helfen, besser an Gott glauben zu können?

Ich denke, sie würde uns nicht viel weiter helfen, weil jedes menschliche Reden letztendlich begrenzt ist. Sie ist oft eine bildhafte Rede und als solche stößt sie zwangsläufig an ihre Grenzen.
Gott ist immer ganz anders. Er ist und bleibt ein Geheimnis.
Eigentlich ist es Makulatur, über dieses Geheimnis zu reden.
Ich muss es aber trotzdem tun,
sonst bliebe ich Ihnen ja etwas schuldig heute Abend.

Erst möchte ich Ihnen einmal hier vorne ein Beispiel demonstrieren:

Hier stehen 3 Kerzen. Diese zünde ich jetzt an.
3 Flammen brennen, 3 Flammen  sind zu sehen.
Und jetzt führe ich die beiden äußeren Flammen zur mittleren.
Jetzt ist nur noch eine Flamme zu sehen.
Aus drei wird eine. Man könnte auch sagen: drei sind in einer.
Und umgekehrt: eine ist in allen drei.

Mit diesem Beispiel hatte mein Heimatpfarrer uns Kindern immer die Trinität erklären wollen: ein Gott in 3 Personen.
Auch für uns Erwachsene – und wir Theologen sind da durchaus mit eingeschlossen – ist es nicht einfach, sich die Dreifaltigkeit plausibel zu machen.

Wir glauben:
Der Heilige Geist ist die 3. Person  innerhalb der Dreifaltigkeit.
Aber der Personenbegriff ist ja auch nicht ganz unproblematisch.
Denn, wenn wir von einer Person sprechen,
haben wir immer einen konkreten Menschen vor Augen.
Das macht es zwar leichter, sich in unserem Falle
den Vater und den Sohn vorzustellen, aber für den Heiligen Geist ist der Personenbegriff keine große Verstehenshilfe.

Zudem birgt er die Gefahr, sich Gott als eine konkrete Person in unserem menschlichen Sinne vorzustellen. Auch wenn wir uns im Klaren darüber sind: Gott liebt uns Menschen so, wie ein fürsorglicher Vater seine Kinder liebt.
Die Quadratur des Kreises liegt doch darin, dass das Personsein Gottes gerade das ist, was unseren christlichen Glauben ausmacht und ihn lebendig macht.  Wir haben nämlich ein Gegenüber, ein persönliches Du, das wir jederzeit ansprechen können. Oder möchten Sie zu einem abstrakten, unpersönlichen, göttlichen Wesen beten?
Man könnte meinen, dass wir sogar die Auswahl haben, wenn wir an einen dreifaltigen Gott glauben. Je nachdem, was anliegt, suchen wir uns eine Ansprechperson aus.
So wie ich es gemacht habe, als kleines Mädchen damals vor der Klassenarbeit. Da musste eben der Heilige Geist herhalten,
denn schließlich ging es um eine Denkaufgabe.
Ist das aber theologisch korrekt und pastoral zu vertreten? –

Ein anderer theologischer Deutungsversuch geht von dem Begriff der Beziehung aus.
Er verweist darauf, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist in Beziehung stehen. Und dass sie im inneren Geheimnis Gottes in liebender Einheit leben.
Dieses Geheimnis Gottes hat zutiefst mit dem Geheimnis des Menschen zu tun, nämlich mit der Frage, warum wir sind und was wir sind.
Hand auf’s Herz:
wir Menschen erfahren unser Leben doch nur dann als sinnvoll,
wenn wir in Beziehung leben.
Und erst recht leiden wir daran, wenn unsere Beziehungen nicht gelingen.
Das gilt für unsere kleine Welt in Familie, Freundschaften und am Arbeitsplatz als auch für die große Welt der globalen Beziehungen in Politik und Wirtschaft.

Für dieses Beziehungsmodell, also für den Zusammenhang zwischen menschlicher und göttlicher Beziehung hat der holländische Katechismus eine, wie ich meine, wunderschöne Beschreibung gefunden:

„In dem Geheimnis der drei-einen Liebe Gottes wird eine Antwort angedeutet auf die Frage nach dem Wesen des Menschen: wir sind Geschöpfe, die erkennen, zeugen und lieben können. Menschliche Worte reichen nicht aus, das letzte auszusagen, aber unser Staunen lässt uns das Letzte fragen: Wie konnte das entstehen – erkennen, zeugen, lieben? Es konnte nicht entstehen. Es ist. Denn Gott ist die Liebe. Er ist nicht das Mysterium der Einsamkeit, sondern des Zusammenseins, des Kennens, Zeugens, Liebens, des Gebens und Empfangens. Und deshalb sind wir, was wir sind. Menschenleben ist Mitleben des Lebens Gottes: Liebe.“

Soweit zu den theologischen Deutungsversuchen.

Was lehrt uns aber die Kirche?

Im Großen Glaubensbekenntnis, das wir an Hochfesten und an besonderen Feiertagen miteinander beten, heißt es:

„Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
und der gesprochen hat durch die Propheten.“ (GL 356)

Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht.
Wenn wir das bekennen, dass der Heilige Geist der Herr ist,
dann liegt es auf der Hand, was es mit dem Heiligen Geist auf sich hat:
Er ist der Herr, das heißt er ist der Kyrios, er ist Gott selbst.
Und kein untergeordnetes Wesen, und keine Person dritter Klasse!
Der Heilige Geist ist Gott selbst.

Er ist Gottes Geist und deshalb ist er heilig.
Er ist kein weltlicher, profaner Geist.
Er ist genau das Gegenteil von profan.
Dieses Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet im wörtlichen Sinne „vor dem heiligen Bezirk liegend“.
Gottes Geist ist zwar in der Welt, aber er ist nicht von dieser Welt.
Er ist immanent und transzendent zugleich.
Und das ist es eben, was ihn unterscheidet von jedem menschlichem Geiste und seinen Errungenschaften – und mögen sie  noch so ein Genie gewesen sein wie beispielsweise Carl Friedrich Gauß, Albert Einstein oder Friedrich Schiller.

Ein Indiz dafür, dass der Heilige Geist wirklich Gott selbst ist,
finden wir gleich in derselben Glaubensaussage:
„Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht.“
Das heißt: der Heilige Geist kann Leben schenken und ist schöpferisch tätig.
Das aber kann nur der liebe Gott.
Die Bibel ist voll an Beispielen und Erzählungen, Glaubenszeugnisse fragender und frommer Menschen aus 4 Jahrtausenden, die das belegen.

Zunächst einmal ein Blick ins Alte Testament.

Die alttestamentliche Vorstellung, die dem Begriff vom Heiligen Geist zugrunde liegt, ist die „ruach“.
Das hebräische Wort „ruach“  ist verwandt mit dem Begriff für „Weite“:
Sie schafft Raum, setzt in Bewegung, führt aus der Enge in die Weite
und macht so lebendig.
So findet sich ruach fast immer in Verben der Bewegung und kann dann den Wind, den Sturm, den Atem, den Geist, die Lebenskraft, Schöpferkraft und prophetische Gotteskraft bezeichnen.
Schon im 1. Schöpfungsbericht tritt die Rolle des Heiligen Geistes
ganz deutlich zum Vorschein.

Dort heißt es: „Die Erde war wüst und leer. Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ (Gn 1,2)

Noch vor der Erschaffung der Welt war der Heilige Geist mit am Werke.

Und als schließlich der Mensch an die Reihe kam, konnte er seine Lebendigkeit dem Heiligen Geist verdanken. Denn es steht geschrieben: (Gn 2,7)

„Da formte Gott, der Herr, den Menschen vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.“

Ohne die ruach, ohne Gottes Geist, ist der Mensch ein Nichts.
Er ist tot, wenn der Atem Gottes nicht mehr in ihm ist.

Wenn wir am Beginn der Fastenzeit das Aschenkreuz empfangen mit den Worten „Gedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zu Staub wirst“
wird uns das so richtig bewusst.
In Anlehnung an den hebräischen Urtext  des Schöpfungsberichtes könnten wir auch sagen: „adam“ bist Du und zur „adama“ kehrst Du wider zurück.“
Adam, das heißt übersetzt Mensch, bist Du, und zur adama, das heißt übersetzt Erde, kehrst Du wieder zurück.

Eine ähnliche Vorstellung findet sich auch im Buch der Psalmen.
In Psalm 104, der aus derselben Zeit stammt wie der erste Schöpfungsbericht, bekennt sich der Psalmist zu seiner Geschöpflichkeit und Endlichkeit mit folgenden Worten:

„Wenn Du dein Angesicht verbirgst, erschrecken sie;
nimmst Du ihre ruach hin, so verscheiden sie und werden wieder zu Staub.
Sendest Du deine ruach aus, so werden sie geschaffen,
und Du erneuerst das Angesicht der Erde. (Ps 104,29 f.)

Noch eine letzte Bemerkung zum alttestamentlichen ruach-Begriff.

Die ruach Gottes ist nicht zufällig grammatikalisch weiblichen Geschlechts.

Dahinter steht ein spezifisch weiblicher Erfahrungshintergrund,
nämlich die Geburt eines Babys:
Das hörbare Keuchen bei der Geburt und das erleichterte Luftschöpfen nach gelungener Geburt, die der Frau wieder Raum schafft, sind zugleich schöpferisch und lebensbringend.
Alles, was Leben fördert, bewegt und inspiriert ist in der hebräischen Bibel oft eine weibliche Angelegenheit.

Auch beim Pfingstfest, wo wir von der Geburt der Kirche sprechen, tritt der weiblich-mütterliche Erfahrungshintergrund zu Tage.
Allerdings ging er in den verschiedenen Sprachen der Übersetzungen der Heiligen Schrift mehr und mehr verloren:
Aus der weiblichen „ruach“ im Hebräischen wurde im Griechischen das neutrale „pneuma“ und aus dem neutralen „pneuma“ wurde im Lateinischen schließlich der männliche „spiritus“, der Heilige Geist.

Dennoch setzen viele Frauen in der Kirche heute ihre Hoffnung auf die Lehre vom Heiligen Geist, weil sie damit den Wunsch verbinden, wieder mehr das Weibliche in das trinitarische Gottesbild integrieren zu können.
Ab und zu geht dieser Wunsch auch schon einmal in Erfüllung.
In der abendländischen Kunst der Ikonographie zum Beispiel:
So gibt es in der Kirche von Urschalling ein Fresko mit dem Heiligen Geist als Frau in der Mitte zwischen Gott Vater und seinem Sohn. Die ruach in persona!

Ein Blick ins Neue Testament.

Ist das Alte Testament reich an Beispielen für die schöpferische und lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes, so ist das Neue Testament ein reichhaltiges Zeugnis dafür, wie seit der Auferstehung Jesu Christi der Geist Gottes an uns übergehen kann, - wenn wir es wollen.
Ja, wenn wir es wollen.

Der Heilige Geist ist eine Gabe, die wir auch ablehnen können.
Schließlich verfügen wir über einen freien Willen.

Das klassische Beispiel dafür, wie dieser Heilige Geist in das Leben von Menschen einbrechen kann, ist Pfingsten.
Für die verängstigt zurückgezogene Jüngergemeinschaft geschah an diesem Tag etwas Ungeheuerliches:

Plötzlich wurde es laut, ein gewaltiger Sturm riss Fenster und Türen auf und erfüllte das ganze Haus.
Es erschienen Feuerszungen und verteilten sich im ganzen Raum;
auf jeden Einzelnen ließ sich eine nieder.
Alle konnten auf einmal in einer fremden Sprache reden, so, als seien sie mehrsprachig aufgewachsen.
Und dann wollten sie nur noch nach draußen, ins Freie, auf die Straße, unter die Leute, um ihnen voller Begeisterung mitzuteilen:
Gott lebt! Er hat uns befreit aus unserem inneren Gefängnis.
Wir brauchen keine Angst zu haben.
Denn er ist unter uns, wohin unser Leben uns auch führen mag.

Das ist doch längst Geschichte, wenn man dieser Geschichte überhaupt Glauben schenken kann – werden wir vielleicht insgeheim denken.
Ein Ereignis, das doch heute keiner Menschen Seele mehr widerfährt.
Wir sind zwar getauft und gefirmt, aber damit erschöpft sich auch in der Regel unser Verhältnis zum Heiligen Geist.
In unserem Leben haben wir noch nie so richtig etwas von ihm mitbekommen. Alles scheint in unserer Welt profanisiert und säkularisiert zu sein.
Unsere Welt gleicht einem System innerweltlicher Ursachen und Wirkungen ohne Ausgang und Eingang.
Wir kommunizieren auf Datenautobahnen per SMS und Mausklick.
Wo lässt sich da etwas entdecken, was man der Wirksamkeit des Heiligen Geistes zuschreiben könnte?

Und trotzdem entwickeln auch heute Menschen ein Gespür dafür, dass es zwischen Himmel und Erde etwas gibt, was man nicht fassen kann, was aber dennoch existiert und durchaus etwas Positives an sich hat.
Der Existenznanalytiker Uwe Böschemeyer hat dies einmal in folgende Worte gefasst, wobei er sich eines alten, vertrauten Bildes bedient:

Wind und Geist

Der Wind weht ums Haus. Er säuselt, er pfeift, er stürmt, und manchmal scheint er das große Gebäude sogar wegfegen zu wollen.
Ich sehe ihn nicht, ich sehe nur, was er bewegt.
Ich höre ihn, doch kann ich nicht greifen.

Ich stemme mich ihm entgegen und erlebe seine Kraft,
doch fassen, gar erfassen kann ich ihn nicht.
Der Wind ist da, ist gegenwärtig.
Das kann niemand bezweifeln, obwohl ihn niemand sieht.

Der Geist gleicht dem Wind.
Auch den Geist sehe ich nicht, ich sehe nur, was er durch mich bewegt.
Mir kommen Ideen, mir kommt die Gewissheit, die Ideen durchsetzen zu können.
mir kommt die Kraft, sie zu verwirklichen. Ich verwirkliche sie in die Tat.
Der Geist ist da, ist gegenwärtig.
Das kann niemand bezweifeln, obwohl ihn niemand sieht.

Der Geist und der Wind – sie kommen aus Räumen, die ich nicht erkenne,
sie ziehen zu Räumen, die ich nicht sehe.
Jetzt sind sie da, spürbar, fühlbar, mächtig, sind dichteste Wirklichkeit.
Doch fassen, gar er fassen kann ich sie nicht.
(Uwe Böschemeyer, Das Leben meint mich. Meditationen für den neuen Tag)

Es müssen nicht gleich die großen, weltbewegenden Ereignisse sein,
die bezeugen, dass Gottes Geist noch heute wirksam ist.
Wann kommt der schon mit Donner und Getöse?
Heutzutage klopft er eher leise bei uns an.
Und deshalb genügt manchmal schon ein aufmerksamer, liebender Blick,
der auf uns gerichtet ist.
Und haben wir uns erst einmal von diesem Unruhestifter anstecken lassen, merken wir, was der alles in uns bewirken kann:

Alles Träge, Faule, Schlaffe fällt von uns ab,
längst Vergrabenes und Verdecktes bricht wieder auf.
Uns kommen Ideen, eine nach der andern, wir schmieden Pläne und entwerfen Konzepte, machen uns ans Werk und keine Menschen Seele kann uns aufhalten und uns von unserem Vorhaben abhalten.
Wenn das kein Wunder ist! Schon mal erlebt?

Dann können Sie ja nachvollziehen, was es heißt,
der Heilige Geist bricht sich seine Bahnen bzw. der Geist weht wo er will.

Das scheint es also heutzutage doch noch zu geben.
Und das Schöne daran ist, wir können etwas dafür tun.
Gerade jetzt, in dieser Zeit.
Die Fastenzeit macht uns das Angebot, äußere Reize einmal auszuschalten, damit wir wieder mehr in Kontakt kommen:
In Kontakt mit uns selbst, mit Gott und der Welt.

Manche suchen dafür die Stille auf, nehmen eine Auszeit,
ziehen sich in ein Kloster zurück oder nehmen an Exerzitien im Alltag teil.
Andere drängt es nach draußen an die frische Luft,
dort lassen sie beim Gehen, Wandern oder Joggen
ihren Gedanken und Gefühlen freien Lauf,
verschaffen sich so Raum und Weite,
um dann für ein geistliches Wort empfänglicher zu sein,
um dann sensibler zu sein für die Spuren der Gegenwart Gottes.

Egal, welche Form wir wählen.
Die Hauptsache ist, wir nutzen unsere Chance.
Auch wenn es uns schwer fällt, wirklich in Kontakt zu sein,
in Kontakt mit uns selbst, mit Gott und der Welt.
So liegt doch gerade hier das Geheimnis unseres Lebens.
Die Berührung wagen mit uns selbst, und mit einer Wirklichkeit,
die unsere Wirklichkeit übersteigt,
darin bestärkt, ermutigt und inspiriert uns der Heilige Geist.
Jeden Tag auf’s Neue  -
wenn wir es wollen und den Mut haben, uns darauf einzulassen.
Eine solche Berührung bleibt aber nicht ohne Folgen!
Neues kommt ans Licht, Neues tritt zu Tage.
In der Berührung geschieht Menschwerdung.

Zu guter Letzt ein Beispiel für das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit.

Ich habe lange mit mir gehadert, ob ich dies hier erzählen soll.
Denn es handelt sich um eine wahre Begebenheit.
Sie betrifft mich persönlich.
Aber dann dachte ich, was nutzt es stundenlang - oder zu mindestens ½ Stunde - über den Heiligen Geist zu predigen, und wenn es darum geht,
ein persönliches Zeugnis über sein Wirken zu geben,
wäre das Ganze Schall und Rauch, wenn man dann kneifen würde.

Und zu schämen brauche ich mich dafür auch nicht.
Denn wir Kirchenleute sind auch nur Menschen.

Nun also zum Abschluss meine kleine, persönliche Geschichte:

Wochen und Monate hatte ich auf etwas hingearbeitet.
All meine Energie in eine Sache gesteckt und versucht, an alles zu denken.
Doch im entscheidenden Moment musste ich passen.

Mir ging es so, als Pfingsten der Rollstein aus Israel in unser Bistum kam.
Damit verbunden war ein Projekt der Frauenseelsorge zum Heiligen Jahr 2000.
Bei seiner Ankunft in der EXPO-Frauenkirche konnte ich nicht dabei sein –
Ich lag krank zu Hause im Bett.
Und alles deutete darauf hin,
dass ich ihn während seines gesamten Aufenthaltes nicht zu Gesichte bekam.
Das war eine Enttäuschung!
Ich mache mir die Arbeit und die anderen ernten die Lorbeeren –
so dachte ich bei mir.
Und ich verbringe Pfingsten mit Fieberthermometer, Butterkeksen und Kamillentee.

Ich weiß noch, irgendwann im Verlauf des Pfingstsonntages griff ich zum Telefonhörer, um meine Eltern anzurufen.
Vielleicht nur aus dem Grund,
mich von meiner permanenten Übelkeit abzulenken.
Denn sie anzurufen war für mich damals nicht mehr selbstverständlich.
Seit unsere Beziehung vor Jahren einen tiefen Riss bekommen hat.
Mein Vater war am Ende der anderen Leitung.
Ich merkte schon an seiner Stimme, dass es ihm auch nicht gut ging.
Im Laufe des Gesprächs drängte sich mit immer mehr die Frage auf:

Wie viel Zeit bleibt uns beiden noch?
Zeit, um einen Schritt aufeinander zuzugehen.
Zeit, um etwas zu klären und manches gerade zu biegen.
Zeit, um dem anderen zu zeigen, du bist mir nicht egal, -
Trotz allem was vorgefallen ist zwischen uns.

Sie werden sich vielleicht fragen:
Was hat das, was ich ihnen da erzähle, mit dem Rollstein aus Israel zu tun?
Nun, auf dem Stein stand in großen Buchstaben:
„Wer wird den Stein wegrollen?“
Die Frage der Frauen am Ostermorgen auf dem Weg zum leeren Grab.

Und während der Stein in unserem Bistum war,
war bei mir etwas ins Rollen gebracht worden.
Ein Stein hatte sich gelöst in der Beziehung zwischen mir und meinem Vater.

Den immer wieder verworfenen Entschluss hatte ich, als ich wieder gesund war, dann auch endlich umgesetzt: ein Besuch bei meinen Eltern.

Dass mir diese Idee ausgerechnet an Pfingsten gekommen ist,
wundert mich nicht. Denn an diesem Fest vertrauen Christen
besonders auf den Heiligen Geist.

In einem modernen Kirchenlied heißt es:

„Komme  jetzt und dann, weise Trösterin,
segne Frau und Mann, schenke Neubeginn.

Wandle jung und alt, heile Schöpferin,
löse die Gewalt. Schenke Neubeginn.

Eine arm und reich, weise Trösterin,
in der Liebe gleich, schenke Neubeginn.

Eine Mensch und Tier, heile Schöpferin,
alles lebt aus dir, schenke Neubeginn.

Erde bebt und schreit, weise Trösterin,
gib uns Umkehrzeit, schenke Neubeginn.“

Amen.