Predigt zum 2. Fastensonntag A
am 20. Februar 2005
1. Lesung: Gen. 12, 1 - 4a;
Evangelium: Mt. 17, 1 - 9;
Thema: "Segen".
Autor. P.Heribert Graab S.J.
Über der Urgeschichte der Menschheit
scheint ein Fluch zu liegen.
So jedenfalls sieht es die Bibel:
Durch die selbstherrliche Auflehnung des Menschen gegen Gott
wird so etwas ausgelöst wie ein Tsunami der Gewalt.
Das beginnt mit dem Brudermord des Kain
und führt nach dem Trumbau von Babel
zum Krieg der Völker gegeneinander.
Dieser Fluch der Gewalt durchzieht die Menschheitsgeschichte
bis auf den heutigen Tag.

Mit der der Berufung des Abraham
setzt Gott einen neuen Anfang.
Der Aufbruch des Abraham ins Ungewisse
- einzig und allein im Vertrauen auf Gottes Zusage -
ist der erste Schritt einer langen Glaubens- und Segensgeschichte -
ebenfalls bis auf den heutigen Tag.

Das Schlüsselwort der ganzen Erzählung von Abraham
ist „Segen".
Durch Abraham sollen alle Geschlechter der Erde
Segen erlangen - wir haben es in dem kleinen Ausschnitt
der Abrahamsgeschichte in der heutigen Lesung gehört.

Was ist Segen?

Für Abraham ist der Segen Gottes ganz konkret:
Er bedeutet Land, das Gott ihm geben wird.
Er bedeutet Nachkommenschaft,
die zu einem großen Volk heranwachsen wird -
und das, obwohl Sarah bereits alt und unfruchtbar ist.
Gott steht für Seine Segenszusage ein.

Im Letzten aber geht Segen weit
über diese konkreten Gottesgaben hinaus.
Das bringt ausgerechnet ein Fremder, der König Abimelech,
zum Ausdruck. Er sagt zu diesem Nomaden Abraham:
„Gott ist mit dir bei allem, was du unternimmst." (Gen. 20, 22)

Segen ist also einerseits Inbegriff der Fürsorge Gottes
und bezeichnet Seine wohltätigen Gaben:
Wohlstand, Nachkommenschaft,
Fruchtbarkeit von Äckern und Vieh,
Gesundheit, Schutz und langes Leben.
Andererseits und vor allem bedeutet Segen aber
Gottes Weggeleit, Sein „Mitsein".

Segen ist also in jedem Fall Geschenk Gottes
und im Letzten Seine Selbsthingabe an den Beschenkten.

Nun benutzen wir das Wort vom Segen
allerdings auch für menschliches Tun:
Menschen segnen einander -
Eltern ihre Kinder, Ehepartner einander
und Priester die Menschen ihrer Gemeinde.

Mehr noch:
Menschen können selbst zum Segen für andere werden.
„Du bist ein Segen für mich", hören wir manchmal sagen.
Und das Motto des ökumenischen Kirchentages in Berlin lautete:
„Ihr sollt ein Segen sein!"

Menschlicher Segen hat immer einen inneren Bezug zu Gott:
Menschen bringen in ihrem Segen
einen guten Wunsch zum Ausdruck
und rufen im Gebet Gott an,
Er möge sich diesen guten Wunsch zu eigen machen
und den Gesegneten mit Seinen guten Gaben beschenken.

Segen in diesem Sinne ist jedoch alles andere
als ein höflich-freundlicher Wunsch,
der so dahingesagt ist;
alles andere auch als ein mehr oder weniger oberflächliches Gebet.
Indem ich segne,
bringe ich den Dreifaltigen Gott selbst ins Spiel:
„Das gewähre dir der gütige und barmherzige Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist."
Oder:
„So segne dich der allmächtige Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist."

Und auch ich selbst stehe unverrückbar hinter dem,
was ich im Segen zum Ausdruck bringe.
Mein Segenswort unterstreiche ich durch eine Segensgeste:
durch das alte Segenszeichen der Handauflegung
oder auch durch das Zeichen des Kreuzes Jesu Christi.

Durch Wort und Geste wird der Segen unwiderruflich.
Denken Sie an den Segen Isaaks:
Jakob hatte sich den Segen seines Vaters durch List erschlichen.
Sein Bruder Esau, der eigentlich gesegnet werden sollte, kommt zu spät.
Aber Jakob ist und bleibt gesegnet.

Dieses Gewicht, das Segen über ein schlichtes Gebet hinaus hat,
führte in der Zeit der Aufklärung vermutlich dazu,
daß Segen als Magie verunglimpft und abgetan wurde.
Hinzu kam, daß Segen immer wieder mißbraucht wurde -
z.B. zur Legitimation von Herrschaft und Krieg.
Moderne Ideologiekritik richtete sich vor allem dagegen,
brachte damit zugleich jedoch den Segen überhaupt in Mißkredit.
Die zunehmende Säkularisierung tat ein übriges.
So verlor Segen in der Zeit der Moderne viel an Wertschätzung
und wurde auch unter Christen immer weniger gepflegt.

Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt:
•    Die positiven Auswirkungen der Säkularisation
sind in der westlichen Welt weitgehend akzeptiert.
Das Religiöse scheint wieder an Bedeutung zu gewinnen -
wenn auch nicht unbedingt in kirchlicher Ausprägung.
•    Die christlichen Kirchen haben sich
von jedwedem Mißbrauch des Segens
zugunsten politischer Herrschaft und Krieg distanziert
und sind zu engagierten Vorkämpfern
von Gerechtigkeit und Frieden geworden.

So wächst in jüngster Zeit wieder das Bedürfnis von Menschen,
sich segnen zu lassen - zumal in schwierigen Lebenssituationen;
das Bedürfnis, sich unter Gottes Schutz zu stellen
und konkret zu erfahren, daß Gott auch mit ihnen ist.
Vielleicht spielt zudem eine Rolle,
daß Segen von den offiziellen Kirchen unabhängig ist.
Jeder Mensch kann segnen
und von jedem Menschen kann ich mich segnen lassen -
vorausgesetzt ich habe Vertrauen in den, der mich segnet.
Das kann dann der Vater sein oder die Mutter,
der Freund oder die Freundin,
oder eben auch der Priester,
der zum Segnen geweiht ist.

Wir haben am Valentinstag in St.Michael
einen anrührenden Segensgottesdienst gefeiert
mit Menschen, die einander in Liebe verbunden sind.
Sie haben sich gegenseitig Hände oder Stirn gesalbt
mit gesegnetem Öl - auch das ist ein alter Segensgestus.
Und gegen Ende des Gottesdienstes kamen fast alle nach vorne,
um sich auch von uns, die wir den Gottesdienst geleitet haben,
persönlich segnen zu lassen.

Dieser Segen war ganz wichtig
und hatte vielfach einen sehr intimen Charakter.
Dabei kam es kaum darauf an,
wer den Segen erteilte:
der Priester oder die Pastoralreferentin.
Für uns beide war es ein bewegendes Erlebnis,
diese Menschen segnen zu dürfen.

Wir möchten in St.Michael zukünftig mehr noch als bisher
den persönlichen Segen pflegen -
auch mit eigenen Segensgottesdiensten,
z.B. in der „Nacht der Kirchen" am 1. Juli.

Werfen wir heute aber noch einen kurzen Blick auf das Evangelium.
Obwohl das Wort vom Segen dort nicht auftaucht,
hat die Kirche sehr bewußt den Abrahamssegen
in Zusammenhang gebracht mit der „Verklärung Jesu".
In der Verklärung Jesu Christi
zeigt sich Gott selbst als Segen.
Die Jünger gehen durch Gottes Nähe „gesegnet"
vom Berg hinab in die Ebene ihres Alltags.
Sie haben Gott erfahren.
Und diese Erfahrung bleibt ihnen in der Person Jesu nahe.
Diese Erfahrung schenkt ihnen die Kraft,
mit Jesus nach Jerusalem zu gehen -
trotz all ihrer Angst vor dem Kommenden.
Und schließlich dürfen sie -
von Gott durch Tabor- und Ostererfahrung gesegnet -
erkennen, daß sich in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi
die Macht des Segens über Fluch und Tod erweist.

Öffnen wir uns nun in der Feier der Eucharistie
für Gottes Segen, den Er in Jesus Christus
auch uns schenken möchte.

Amen.