Predigt zum 2. Ostersonntag
am 30. März 2008
Evangelium: Joh. 20, 19 - 31
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Dieser Thomas!
Ehrlich gesagt - ein bißchen neidisch sind wir schon auf ihn!
Sehen und dann glauben - das ist ja wohl kein Problem!
Wir wären dankbar, es erginge uns ähnlich.
Da tröstet uns auch die Verheißung Jesu nur wenig:
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!"

Nun frage ich mich allerdings
bei einem zweiten Blick auf das Evangelium:
Hat dieser Thomas und haben die damaligen Jünger Jesu
uns wirklich so viel voraus,
wie es auf den ersten Blick scheint?

Alle Osterberichte bezeugen:
„Jesus Christus ist auferstanden von den Toten!
Er ist wahrhaft auferstanden!"
Sie bezeugen allerdings auch:
Dieser Auferstandene begegnet uns
auf eine merkwürdig andere Art, als wir es gewohnt sind.
Er lebt offenkundig bereits in einer anderen Welt.
Er lebt in der geheimnisvollen Welt Gottes,
die unser Begreifen übersteigt.

•    Die Frauen am Ostermorgen erkennen Ihn nicht.
•    Maria von Magdala, eine Seiner engsten Vertrauten,
    hält Ihn für den Gärtner.
•    Auch die Emmausjünger ahnen erst, daß Er es ist,
    als Er das Brot für sie bricht.
•    In Jerusalem steht Er urplötzlich mitten unter Seinen Jüngern,
    obwohl doch Türen und Fenster verriegelt und verrammelt sind.
    Diese Jünger halten Ihn zunächst für einen „Geist",
    für eine Halluzination.
•    Von den Jüngern am See Genezareth
    ahnt als Erster Johannes, Sein engster Freund:
    Es ist der Herr, der da am Ufer steht!
    Aber auch da ist Er so verunsichernd anders,
    daß sie alle es nicht wagen, Ihn zu fragen:
    „Wer bist Du? -
    Denn sie wußten, daß es der Herr war." (Joh. 21, 12)
    Offenkundig ist das schon ein glaubendes Wissen.

Auch heute bei der Begegnung mit Thomas
heißt es ausdrücklich: „Die Türen waren verschlossen."
Wiederum also „erscheint" Jesus in der Mitte Seiner Jünger
durch verschlossene Türen hindurch.
Und genau so geheimnisvoll, wie Er gekommen ist,
ist Er offenkundig auch wieder „verschwunden".

Was bedeutet auf diesem Hintergrund die Einladung Jesu
„Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände!
Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite!" ???
Thomas ist dieser Einladung allem Anschein nach
nicht nachgekommen,
sondern bekennt spontan: „Mein Herr und mein Gott!"

Er bekennt also nicht,
daß da sein alter Freund und Meister
vollkommen unerwartet wieder unter den Lebenden ist -
so wie etwa Lazarus wieder ins Leben gerufen wurde
und dann doch irgendwann starb.
Mit seinem Osterbekenntnis bewegt sich Thomas
auf einer ganz anderen Ebene - auf der Ebene des Glaubens:
„Mein Herr und mein Gott!"

Auf dieser Glaubensebene bewegt sich letztendlich alles,
was über Ostern und über die österlichen Ereignisse berichtet wird.
Anders ausgedrückt:
Das gesamte Ostergeschehen
und die Ostererfahrungen der Jüngerinnen und Jünger Jesu
entziehen sich einer Beweisbarkeit
im modernen wissenschaftlichen Sinn.
Und nochmals anders ausgedrückt:
Ein Fotograf unserer Tage hätte vermutlich nichts von dem,
was Ostern wirklich geschah,
auf einem Film festhalten oder digital speichern können.

Ostern überschreitet grundsätzlich
unseren diesseitigen Erfahrungshorizont.
Die Osterberichte rühren an den „göttlichen Bereich",
dem Jesus Christus als der Auferstandene angehört.
Diese Feststellung mindert in keiner Weise
den Wirklichkeitsgehalt dieser Berichte.
Eher im Gegenteil:
Diese Feststellung macht die Berichte erst
zu ernstzunehmenden Aussagen über das österliche Geschehen,
das zwar nur dem Glauben zugänglich,
aber gerade deswegen in einer unüberbietbaren Weise
„real" und „wahr" ist.

•    In diesem Sinne spricht auch der Auferstandene Christus
    vom Glauben des Thomas.
•    In diesem Sinne sind auch die Emmausjünger und diejenigen,
    die die erste Erscheinung des Auferstandenen
    in Jerusalem erlebt hatten,
    für Thomas und für alle anderen bis auf unsere Tage
    Zeugen ihres Osterglaubens.
•    In diesem Sinne ist auch die Osterbotschaft der Maria von Magdala
    eine Glaubensverkündigung,
    wie umgekehrt im Matthäusevangelium
    noch bei der letzten Ostererscheinung Jesu auf dem Berg in Galiläa
    die Rede ist vom „Zweifel" einiger Jünger,
    während andere vor dem Auferstandenen glaubend niederfielen.
    (Mt. 28, 17)

Es ist müßig zu fragen,
wem es denn möglicherweise leichter fällt zu glauben:
Jenen ersten Zeugen der Osterbotschaft
oder denen, die später den auferstandenen Christus
glaubend erfahren haben -
angefangen von Paulus über Augustinus und Blaise Pascal
bis hin zu den glaubwürdigen Zeugen der Osterbotschaft unserer Tage.

Der Glaube und auch der Osterglaube
ist und bleibt letztlich ein Geschenk des Auferstandenen selbst.
Das galt damals, das gilt heute.
Das galt für Thomas, das gilt für jede und jeden von uns.
Beten wir in den Fürbitten auch füreinander
um das Geschenk dieses österlichen Glaubens.

Amen.