Predigt am 3. Sonntag der Osterzeit
am 6. April 2008
Evangelium: Joh. 21, 1 - 14
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Das Evangelium schildert eine Begegnung
mit dem Auferstandenen - mitten im Alltag.
In ihren Alltag nämlich sind die Jünger zurückgekehrt.
Das Evangelium schildert
die Begegnung mit einem guten Freund,
der ihnen so fremd geworden ist,
daß sie Ihn nicht einmal mehr erkennen.

Es geht also in diesem Evangelium um uns -
um unsere Glaubenssituation:
Wir glauben an den Auferstandenen - ja.
Wir möchten an Ihn glauben in unserem Alltag - ja.
Wir möchten Ihn erfahren als unseren Freund - ja.

Aber wir erfahren gerade im Alltag
viel häufiger Seine Abwesenheit.
Es gibt Situationen, da ist Er uns
ganz und gar fremd geworden.
Da fühlen wir uns innerlich leer -
wie von einem Freund verlassen.

Das Evangelium schildert auf eine sehr einfühlsame
und nachvollziehbare Weise
die psychologische Situation der Jünger Jesu nach dem Karfreitag.
Geschildert wird die Verfassung von Menschen,
die zutiefst niedergeschlagen sind.

Nach einer ersten Phase der Lähmung
- hinter verschlossenen Türen -
haben sie die Zeit ihres Lebens mit Jesus abgehakt.
Sie haben „re-signiert".
(Resignation - das bedeutet wörtlich: Die Unterschrift zurückziehen.)
Sie hatten sich einmal ganz und gar
diesem Jesus von Nazareth verschrieben.
Sie hatten all ihre Hoffnungen auf Ihn gesetzt.
Und jetzt sind diese großen Erwartungen enttäuscht.
Sie ziehen „ihre Unterschrift" zurück - mehr noch:
sie ziehen sich selbst zurück.

„Ich gehe fischen", sagt Petrus.
„Wir kommen mit", schließen sich die anderen an.
Zurück in die Vergangenheit!
Zurück in den Alltag jener Zeit,
da sie diesen Jesus noch nicht kannten!
Nicht mehr dran denken:
diesen Menschen vergessen,
die Zeit mit Ihm und alles, was sie ihnen bedeutete,
all die Erfahrungen und zumal
die Erfahrung der Beziehung zu Ihm vergessen!

Die Schilderung des Evangeliums ist beeindruckend:
Von der Nacht ist die Rede.
Gewiß - die beste Zeit für den Fischfang.
Vor allem aber ein Bild für die „Nacht"
in den Herzen dieser Menschen.

Und dann noch:
„In dieser Nacht fingen sie nichts!"
Leere Netze!
Aber eben vor allem: Innere Leere, Enttäuschung, Ausgebranntsein.

Das kennen wir doch:
Termindruck und Belastungen bis an unsere Grenzen,
Müdigkeit, Resignation, Routine -
Burn-out, eine ganz aktuelle Diagnose.

Im Evangelium steht genau in dieser Situation der Fremde am Ufer.
Die erste Reaktion: Ein knappes, frostiges Nein.
Das klingt fast so wie:
Der hat uns gerade noch gefehlt.
Und diese Reaktion ist durchaus nachvollziehbar.

Überraschend dagegen die zweite Reaktion:
Sie tun, was dieser Fremde sagt
und werfen die Netze ein weiteres Mal aus.
•    Hoffnung wider alle Hoffnung?
•    Oder der Einfluß einer charismatischen Persönlichkeit am Ufer,
    dem sie sich nicht entziehen können?
•    Vielleicht auch im Unterbewußtsein
    schon ein Erkennen dessen, der da diesen Auftrag erteilt?
Wer weiß das schon?

Jedenfalls - das Netz füllt sich über die Maßen.
Und diese Fülle ist es,
die zunächst im Lieblingsjünger Johannes
die Ahnung weckt: „Es ist der Herr!"

Die Jünger stürzen ans Ufer -
jetzt kann‘s ihnen gar nicht schnell genug gehen.
Am Ufer finden sie
- so widersprüchlich und unwahrscheinlich das klingen mag -
eine wärmendes Feuer - nach der Kälte der Nacht,
und auf dem Feuer Fisch und Brot - für ihre leeren Mägen.
Nein - mehr noch: Für ihre leeren Herzen.

Selbstverständlich haben „Fisch und Brot"
für den Autor dieses letzten (und späten) Johannes-Kapitels
schon eine tiefere, symbolische Bedeutung:
Der Fisch (ICHTYS) steht für
Iesous Cristos - Theou Hyos - Sôter =
Jesus Christus - Gottes Sohn - Erlöser.
Und beides zusammen - Fisch und Brot -
sind für diesen späten Text bereits eucharistische Symbole.

Dieser Text sagt also:
„Fisch und Brot" -
der auferstandene Christus -
Sein Geschenk der Eucharistie -
das ist die Antwort auf unsere Leere,
auf unsere Resignation, auf unsere Orientierungslosigkeit,
auf unseren Hunger nach einer Speise,
die wirklich satt macht und erfülltes Leben schenkt.

Und die Wärme, die von Ihm ausgeht,
Seine Liebe, Seine Freundschaft -
das ist die Antwort auf die Kälte auch unserer Zeit,
auf unser Verlassensein, auf unsere Einsamkeit,
auf dieses immer wieder dominierende und frustierende
„Jeder für sich!"

Noch ein Letztes:
Es heißt „Sie waren nicht weit vom Land entfernt,
nur etwa zweihundert Ellen" -
auf Deutsch: Keine hundert Meter!
Enttäuschung und neuer Lebensmut,
Niedergang und hoffnungsfroher Aufbruch,
Zweifel und frohmachender Glaube,
Tod und österliches Leben,
Diesseits und Jenseits,
Zeit und Ewigkeit -
all das liegt keineswegs unvorstellbar weit auseinander -
manchmal vielleicht nur „einen Hauch".

Die Jünger - zumal dieser Johannes - verstehen:
    Mitten im mühsamen Alltag
    stärkt der Auferstandene uns mit dem Brot des Lebens.
Die frühen Christen -
an sie wendet sich dieses Evangelium,
das erst rund sechzig Jahre nach den Osterereignissen
aufgeschrieben wurde -
die frühen Christen verstehen:
    Der Auferstandene - so weit weg Er uns auch erscheinen mag -
    ist auch uns nahe mitten im Alltag.
    Er stärkt auch unseren Glauben,
    wenn Er uns einlädt zur Eucharistie.

So dürfen auch wir uns heute von Ostern her beschenken lassen:
mit einem neuen Glauben,
mit vertrauensvoller Hoffnung,
mit einer Wärme ausstrahlenden Liebe
und mit dem Wissen um Seine Nähe
und um Seine Freundschaft.

Amen.