Predigt zum fünften Ostersonntag (C)
am 24. April 2014
Lesungen: Apg. 14, 21b-27 und Offb. 21, 1-5a
Evangelium: Joh. 13, 31-33a. 34-35
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Ostern und auch Christi Himmelfahrt bilden keineswegs
den Abschluß des Evangeliums von Jesus Christus!
Im Gegenteil: Danach geht’s erst richtig los!

Erinnern wir uns an den Beginn:
„Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte,
ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes
und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.
Kehrt um, und glaubt an diese Frohe Botschaft!“ (Mk. 1, 14-15)

In den folgenden Jahren Seines öffentlichen Lebens
tut er nichts anderes:
Mit Wort und Tat gewinnt Er Menschen für die ‚Neue Zeit‘
und für das kommende Reich Gottes.
Die Menschen lauschen fasziniert Seinen Worten
und lassen sich gewinnen, weil Er das Reich Gottes nicht nur predigt,
sondern überzeugend lebt:
Das ‚neue Gebot der Liebe‘,
an das uns das Evangelium wieder mal erinnert,
ist für Jesus eben nicht nur eine menschenfreundliche Lebensweisheit!
Er wendet sich vielmehr ganz konkret einem jeden, der Ihn braucht,
liebevoll zu: Er heilt Kranke, treibt Dämonen aus
und gibt all den an den Rand Gedrängten ihre Würde zurück.
Damit macht Er sichtbar und erfahrbar:
So und nicht anders sieht Gottes Zukunft aus.
So und nicht anders kann sie gelingen.
So und nicht anders kann sie jetzt und hier schon anbrechen.

Von vornherein ist klar:
Diese Zukunftsvision, für die Jesus einsteht, und die Er lebt,
ist ein Geschenk Gottes;
aber sie fällt nicht automatisch vom Himmel.
Es geht vielmehr darum, Menschen für diese Vision zu gewinnen -
möglichst viele, ja sogar alle sollen überzeugt werden:
‚Gottes Traum‘ zu leben
und Schritt für Schritt Wirklichkeit werden zu lassen -
das allein macht ein Leben möglich,
nach dem wir uns alle letztlich sehnen;
das allein schafft eine friedvolle und menschenwürdige Welt.

Dementsprechend müht Jesus sich Tag für Tag ab:
„zieht durch alle Städte und Dörfer, lehrt in ihren Synagogen,
verkündet das Evangelium vom Reich
und heilt alle Krankheiten und Leiden.“ (cf. Mt. 9, 35)
Um Seiner eigenen Sendung und um Seines Zieles willen
sammelt Jesus von Anfang an Jüngerinnen und Jünger,
sendet sie ebenfalls aus und sagt ihnen:
„Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.
Heilt Kranke, weckt Tote auf,
macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!
Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
Und wenn ihr in ein Haus kommt, dann wünscht ihm Frieden…“
(Mt. 10, 7ff)

Diese begrenzte Sendung des irdischen Jesus von Nazareth
in die Dörfer und Städte Israels
weitet schließlich der Auferstandene aus
zu einer globalen, die ganze Welt umfassenden Sendung:
„Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde.
Darum geht zu allen Völkern,
und macht alle Menschen zu meinen Jüngern;
tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes,
und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“
(Mt. 28, 18-20)
Und im gleichen Atemzug verbindet Er damit
die ermutigende Verheißung:
„Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

Auf der Grundlage dieser Sendung und nicht zuletzt dieser Zusage
haben die Jüngerinnen und Jünger der ersten Generationen
das Evangelium Jesu Christi
und die Botschaft vom Gottesreich der neuen Zeit verkündet.
Zur zweiten Generation zählen Paulus und Barnabas,
von deren unermüdlichem Engagement die erste Lesung erzählt.
Es lohnt sich, auf einer Landkarte
nur einmal deren Reisewege zu verfolgen,
die in den wenigen Versen der Lesung genannt werden.
Und das alles ohne den Luxus unserer modernen Verkehrsmittel!

Aber selbstverständlich gingen nur wenige der ersten Christen
um des Evangeliums willen auf so beschwerliche Reisen.
Viel näher lag es, in der unmittelbaren Umgebung
von Jesus und von Seiner befreienden Botschaft zu erzählen.
So entstanden sehr schnell kleine Nachbarschaftsgemeinden.
Und dort pflegte man die Gastfreundschaft,
so daß durch beherbergte Fremde der Same des Evangeliums
sozusagen ‚wie vom Wind verweht‘
in die große, weite Welt getragen wurde.
Niemand wäre damals wohl auf die Idee gekommen,
die wachsenden, christlichen Gemeinden als ‚steril‘ zu bezeichnen.
Und die heute weitverbreitete Grundeinstellung,
mein Glaube sei meine Privatangelegenheit,
wäre wohl auf verständnislose Ablehnung gestoßen.
Anstatt über einen lahmen und schwindenden Glauben zu klagen,
könnten wir besser bei den frühen Christen
und ihren lebendigen Gemeinden in die Schule gehen.
Wir selbst würden für unseren persönlichen Glauben viel gewinnen,
und auch in der heutigen Kirche würde sich
der Heilige Geist wieder wohlfühlen.
So würde heute ein neues Pfingsten möglich!

Aktiv und engagiert gelebter Glaube braucht natürlich mehr
als ein beinahe entschuldigend gemeintes
„Ich bin halt im christlichen Glauben groß geworden“.
Die Überzeugungskraft eines gewinnenden Glaubens
lebt nicht zuletzt von einer mitreißenden Zukunftsperspektive.
Für die damalige Zeit enthält eine solch begeisternde Perspektive
z.B. das 21. Kapitel der Offenbarung des Johannes.
Den Anfang dieses Kapitels haben wir soeben als 2. Lesung gehört -
ein Text, der auch heute noch faszinieren und Hoffnung schenken kann:
„Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen!
Er selbst wird in ihrer Mitte wohnen,
und sie werden sein Volk sein;
und er, Gott, wird bei ihnen sein.
Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen :
Der Tod wird nicht mehr sein,
keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.
Denn was früher war, ist vergangen.
Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu.“

Je älter ich werde, um so mehr bin ich nicht nur beruflich,
sondern mehr und mehr auch ganz persönlich mit dem Tod konfrontiert.
Um so mehr setze ich allerdings auch
meine Hoffnung und mein Vertrauen auf dieses
„Seht, ich mache alles neu“,
und insgesamt auf die Reich-Gottes-Vision Jesu.
Nicht zuletzt deshalb kreist meine eigene Verkündigung
immer und immer wieder um diese Verheißung.

Kennen Sie wirkliche Alternativen dazu?
Und erweisen sich all die heute weitverbreiteten Alternativen
angesichts von Not, Elend und Tod
als tragfähig für ein menschenwürdiges Leben,
das diesen Namen verdient,
und für eine erstrebenswerte Zukunft???

Ich glaube, wir alle können den Menschen um uns herum
keinen größeren Dienst tun,
als ihnen gemeinsam diese zentrale Botschaft christlichen Glaubens
so überzeugend nahe zu bringen,
daß sie für möglichst alle zum Grundvertrauen ihres Lebens wird.

Amen.