Predigt zum 2. Fastensonntag (B)
am 25. Februar 2018
Lesung: Gen. 22, 1 - 18 gekürzt
Evangelium: Mk. 9, 2-19
Autor: P. Heribert Graab SJ
Die Lesung aus dem Buch Genesis schildert in biblischer Bildsprache
einen ganz entscheidenden Einschnitt der Religionsgeschichte:
In prähistorischer Zeit waren in den Religionen des Vorderen Orients
und auch in vielen anderen Kulturen
Menschenopfer weit verbreitet.
In allergrößter Not sollten sie den „Zorn“ der Götter besänftigen,
um weiteres Unheil abzuwehren,
und um den Segen der Götter zu erbitten.

Etwa zu Beginn des 2. Jahrtausends vor Christus
wird Abraham zum Vater des Glaubens an den einen Gott.
Und dieser eine Gott macht dem Abraham klar:
Ich wünsche nicht, daß ihr mir Menschen als Opfer darbringt!
Die Geschichte, die wir soeben als Lesung gehört haben,
bezeugt für alle Zeiten
die gottgewollte Abkehr von Menschenopfern.

Das ist ein enormer Traditionsbruch.
Solche Brüche mit althergebrachten Traditionen
gibt es auch in der Geschichte des Christentums immer wieder,
wenn die in der Regel auch längst nicht so einschneidend sind.
So brachte das Zweite Vatikanische Konzil
etliche Veränderungen mit sich,
die von vielen Katholiken als „Traditionsbruch“ erlebt wurden.

Ein ganz kleines Beispiel:
An die Stelle der Fastenzeit trat offiziell die Bezeichnung
„Österliche Bußzeit“.
Umgangssprachlich setzte die sich allerdings nicht wirklich durch.
Das hatte vor allem zwei Gründe:
Erstens: Innerhalb der Kirche
hatte das Fasten zwar sehr an Bedeutung verloren.
Dafür aber wurde Fasten im nichtreligiösen Umfeld
aus unterschiedlichen Gründen mehr und mehr modern.
Zweitens: Der statt dessen gewählte Begriff der „Buße“
wirkte eher noch befremdlicher als der des Fastens.

Was fällt Ihnen spontan zum Stichwort „Buße“ ein? ….
Denken Sie (wie ich) zuerst an jene ‚Knöllchen‘,
die freundliche Politessen
hinter den Scheibenwischer Ihres Autos klemmen?
Und denken Sie an Bußgeld, Protokoll, vielleicht sogar Strafe?

Der biblischen und damit christlichen Bedeutung von ‚Buße‘
kommen wir näher,
wenn wir auf das entsprechende Wort
im griechischen Originaltext des Neuen Testaments zurückgreifen:
Dort ist von „μετάνοια“ die Rede.
Und das heißt in deutscher Übersetzung: „Umdenken“.
Also nicht nur „Umkehren“, sondern von innen her „Umdenken“.
„Umkehren“ und erst recht „Umdenken“
machen eine Richtungsänderung erforderlich - u.U. um 180 Grad.
Es geht darum, uns neu zu orientieren und zwar am Willen Gottes;
es geht also darum, uns - genau wie Jesus in der Wüste -
auf die Suche nach Gottes Willen für uns zu machen.

Dementsprechend richtet ‚Buße‘ im Sinn von ‚ μετάνοια‘unseren Blick
nicht mehr in erster Linie nach hinten in die Vergangenheit,
sondern nach vorne in eine Zukunft, die dem Willen Gottes entspricht.
Anders ausgedrückt: Buße / μετάνοια wendet unseren Blick
auf das kommende Reich Gottes
und stellt uns damit das einzig wirklich lohnende
und unser Leben erfüllende Ziel vor Augen.

Konkret wird diese Richtungsänderung auf Zukunft hin
etwa im Sakrament der Buße.
Die umgangssprachliche Belastung des Begriffes „Buße“
hat meines Erachtens durchaus etwas zu tun
mit der Entfremdung katholischer Christen vom Bußsakrament.
Natürlich läßt sich diese Entfremdung
nicht einfach aus der Welt schaffen durch eine Begriffsänderung.
Dennoch spreche nicht nur ich seit Jahren
bewußt vom Sakrament der Versöhnung.
Versöhnung setzt zwar die Vergebung vergangener Schuld voraus;
aber Versöhnung richtet den Blick vor allem in die Zukunft.
Und im Blick auf die Zukunft geht es keineswegs
um diesen oder jenen ‚guten Vorsatz“.
Es geht vielmehr auch hier um ein grundlegendes ‚Umdenken‘,
das es ermöglicht,
die Zukunft von der Reich-Gottes-Botschaft Jesu her zu gestalten.

Welch einschneidende Konsequenzen dieses ‚Umdenken‘ hat,
können Sie etwa ablesen an den Worten Jesu über ‚Versöhnung‘:
    „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst
    und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, 
    so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen;
    geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder,
    dann komm und opfere deine Gabe.“ (Mt: 5, 23 f)
Da ist fürwahr kein ‚guter Vorsatz‘ gefordert,
sondern ein radikales ‚Umdenken‘.

In diesem Sinne brauchen wir selbst ganz persönlich
einen regelrechten ‚Traditionsbruch‘
in unserer ganzen Lebenseinstellung.
Nur so können wir selbst jene beglückende ‚Verwandlung‘ erfahren,
die die Jünger Jesu bei Seiner Verklärung auf dem Berge Tabor erlebten.
Nur so können auch wir unsere eigene Zukunft in den Blick bekommen
als eine Zukunft im strahlenden Licht des kommenden Reiches Gottes.

Amen.