Predigt zum 3. Fastensonntag 'C'
am 24. März 2019
Lesung:  Ex. 3, 1-8a.10.13-15
Evangelium: Lk. 13, 1-9
Autor: P. Heribert Graab SJ
Das Evangelium berichtet von zwei Ereignissen,
die auch unseren Medien heute
jeweils eine dicke Schlagzeile wert wären:
Damals hatte Pilatus einen aufsehenerregenden, politischen Mord
an einer Gruppe von Galiläern begehen lassen.
Und etwa zur gleichen Zeit wurden achtzehn Menschen
beim Einsturz eines Turms am Teich Schiloach in Jerusalem erschlagen.
Daraus entwickelte sich - wie es heute auch üblich wäre -
eine Diskussion darüber: Wer war schuld???

An diese öffentliche Debatte knüpft Jesus an mit der Frage:
Meint ihr etwa, daß etwa diese Galiläer
oder  die Opfer des Turmeinsturzes selbst
für ihren Tod verantwortlich waren?
„Nein, im Gegenteil,“ sagt Jesus,
„ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt!“

Ich denke, es könnte auch uns sehr zum Nachdenken anregen,
wenn wir die Reaktion Jesu auf Schlagzeilen unserer Zeit
übertragen würden.
Sie alle werden sich noch an den Einsturz
einer maroden Textilfabrik in Bangladesch vor fünf Jahren erinnern.
Eine Schlagzeile in der „Zeit“ lautete damals:
„Zahl der Toten in Bangladesch steigt auf über 1.000“.

Wer war schuld?
Jesus würde heute vielleicht die Gegenfrage stellen:
„Meint ihr wirklich,
die einfachen Textilarbeiterinnen wären selbst schuld an ihrem Tod?
Oder meint ihr,
die Schuld nur auf die Manager jener Fabrik schieben zu können?“
„Nein, im Gegenteil,“ würde Jesus wahrscheinlich sagen,
„Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr Euch nicht bekehrt! -
Wenn Ihr nicht endlich umkehrt von dem Bestreben,
eure Bekleidung so billig wie möglich einzukaufen -
ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden,
wie denn solche Billigpreise zustande kommen!“

Oder denken Sie an den Archiveinsturz hier in Köln.
Das war vor genau zehn Jahren!
Und immer noch ist die Schuldfrage nicht endgültig geklärt.
Jesus würde vielleicht auch in diesem Fall sagen:
„Es wird Euch alle irgendwann treffen, wenn ihr Euch nicht bekehrt!“
Fegt doch mal vor Eurer eigenen Haustür!
Da gibt’s doch wohl auch eine Menge „Pfusch“ -
privat oder beruflich, im Kleinen wie im Großen,
mit Auswirkungen auch auf Eure Umgebung.
Und das alles nach dem Motto:
Hoffentlich merkt’s keiner!

Noch ein drittes Beispiel (von ganz vielen möglichen):
Am Freitag vor einer Woche wurden in Christchurch (Neuseeland)
fünfzig Menschen
bei einem terroristischen Attentat auf eine Moschee getötet.
Der Mörder wurde schnell gefaßt.
Aber war nur er der Schuldige?
Innerhalb kürzester Zeit wurden in Neuseeland
die Waffengesetze deutlich verschärft.
Natürlich tragen bei solch einem Attentat
auch skrupellose Waffenproduzenten und Waffenhändler
ein gerüttelt Maß an Mitschuld.
Sind damit nun alle Probleme gelöst?
Jesus sagt auch dazu: „Nein, im Gegenteil,
ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt!“

Wir alle?
Und das obwohl Neuseeland doch nun wirklich weit, weit weg ist?
„Ja wirklich, Ihr alle,“ würde Jesus vermutlich insistieren:
Es geht kein Weg daran vorbei,
daß gerade diese mörderischen Kleinwaffen
vor allem in Deutschland produziert
und von hier weitgehend unkontrolliert weltweit verkauft werden.
Da hängen „unsere“ Arbeitsplätze dran;
da (und beim Rüstungsexport überhaupt) wird ein erheblicher Teil
unseres Bruttosozialprodukts erwirtschaftet;
und davon leben wir alle – ob wir wollen oder nicht!

Alle aktuellen Beispiele machen also
- ebenso wie die Beispiele des Evangeliums -
deutlich: Wir alle sind auf vielfältige Weise
in größere Schuldzusammenhänge verstrickt;
wir alle können uns auch nicht
aus unserer Mitverantwortung herausstehlen;
wir alle müssen so oder so „unseren Kopf hinhalten“.
Jesus drückt das so aus:
„Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt!“

Das also ist die eine Seite,
um deren Erkenntnis es in der Fastenzeit immer und immer wieder geht.
Die andere Seite der Botschaft dieser Zeit ist jedoch noch wichtiger:
Es ist die frohe Botschaft der Barmherzigkeit Gottes,
die sich wie ein roter Faden
durch das Alte, wie das Neue Testament zieht.
Um diese Barmherzigkeit Gottes geht’s auch in der heutigen Lesung:
„Ich habe das Elend meines Volkes gesehen,
und ihre laute Klage habe ich gehört.
Ich kenne ihr Leid.
Ich bin herabgestiegen, um sie aus jenem Land hinaufzuführen
in ein schönes, weites Land,
in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
Ich bin der „Ich-bin-da“.
Das ist mein Name für immer,
und so wird man mich nennen in allen Generationen.“

Dementsprechend verkündet heute der Antwortpsalm
den Kern der Botschaft dieser Fastenzeit:
„Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir all deine Schuld vergibt
und all deine Gebrechen heilt;
der dein Leben vor dem Untergang rettet
und dich mit Huld und Erbarmen krönt…
Der Herr ist barmherzig und gnädig,
langmütig und reich an Güte.“

Amen.