Predigt zum Palmsonntag 2019
am 14. April
Evangelium:  Lk. 19, 28-40
Autor: P. Heribert Graab SJ
Der Einzug Jesu in Jerusalem wird in der Liturgie gefeiert
mit einer festlichen Prozession,
deren Ziel jeweils die Kirche ist.
Die Kirche steht also symbolisch für Jerusalem,
für die Stadt Jesu und für die endzeitliche Stadt Gottes.
Bei der Palmprozession wird vor allem im süddeutschen Raum
häufig Christus selbst auf einen sogenannten „Palmesel“ mitgeführt.


Die Darstellung dieses in Jerusalem einziehenden Christus
stammt aus Landsberg am Lech
und wurde von einem Bildhauer der Barockzeit 1671 geschaffen.

In unserer heutigen Umwelt gilt der Esel nicht sehr viel.
Wer möchte schon ein „Esel“ genannt werden?
Um so mehr sind wir über den Bericht des Evangeliums erstaunt:
Jesus wählt für Seinen Einzug in Jerusalem einen Esel als Reittier.
Und die Leute ringsum erkennen in Ihm den König,
der in Seine Stadt einzieht:
„Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn.“
rufen sie voller Begeisterung.
Im Markusevangelium ist diese begeisterte Begrüßung
noch etwas ausführlicher überliefert:
„Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! 
Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt.
Hosanna in der Höhe!“ (Mk. 11:9-10) 

Wie kommen die Leute darauf,
ausgerechnet Jesus, der auf einem Esel geritten kommt,
als den lang ersehnten Messias-König zu feiern?

Vermutlich kannten sie deutlich besser als wir die Heilige Schrift.
So kam ihnen wohl in diesem Augenblick spontan
die Verheißung des Propheten Sacharja in den Sinn:
„Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem!
Siehe, dein König kommt zu dir.
Er ist gerecht und hilft;
er ist demütig und reitet auf einem Esel,
auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin.“
Und gleich im Anschluß daran spricht bei Sacharja Gott selbst:
„Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim
und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen.
Er - d.h. der verheißene König des Gottesvolkes -
verkündet für die Völker den Frieden…“ (Sach. 9, 9-10a)

Der Messias-König ist ein Friedensfürst.
Er reitet eben nicht auf einem stolzen Pferd!
Denn hoch zu Roß reiten in aller Regel die Kriegsherren.
Und bis an die Zähne bewaffnet kommen
auch deren Kriegsknechte hoch zu Roß daher.

Genau von diesen kriegerischen Gewohnheiten setzt Jesus sich ab:
Er wählt unbewaffnet und segnend einen harmlosen Esel
als Reittier - das Reittier und ein treuer Helfer der kleinen Leute.
Damit offenbart Er sich als der verheißene Messias
und bekennt sich zu dessen Sendung:
Er stellt sich auf die Seite der kleinen Leute
und bringt der Welt den Frieden.

In den Augen der Herrscher dieser Welt ist der Einzug Jesu
in die Königsstadt Jerusalem ausgerechnet auf einem Esel eine ‚Eselei‘.
In den Augen der Herrscher dieser Welt ist es bis heute eine ‚Eselei‘,
diesen am Kreuz gescheiterten Wanderprediger
als den Erlöser und den ‚König‘ der Welt zu bekennen.

Das erinnert mich an eine andere biblische Geschichte,
in der auch ein Esel die zentrale Rolle spielt:
Gegen eine hohe Bestechungssumme hatte der Prophet Bileam
sich verleiten lassen, das Volk Israel
auf seinem Weg in das von Gott verheißene Land zu verfluchen.
Während er auf einem Esel zum vereinbarten Ort reitet,
stellt sich ihm der Engel des Herrn
mit gezücktem Schwert in der Hand entgegen.
Verblendet durch das verlockende Angebot des Königs
ist Bileam blind für diesen massiven Einspruch Gottes.
Ausgerechnet der ‚dumme‘ Esel merkt, was los ist:
Nicht einmal durch Stockhiebe seines Herrn läßt er sich bewegen,
auch nur einen Schritt weiter zu gehen.
Erst als Gott selbst dem Bileam die Augen öffnete,
erkannte er, was seinen Esel so störrisch machte,
und wer ihm im Wege stand.
Schließlich segnete er Israel, anstatt Gottes Volk zu verfluchen.

Nicht nur die Herrscher dieser Welt sind blind für Christus
und für Seine Sendung,
durch Kreuz und Auferstehung die Menschheit zu erlösen
und der Welt das Heil zu bringen.
Selbst für Petrus war Jesu Andeutung Seines Kreuzweges
schlicht eine ‚Eselei‘. (cf. Mt. 16, 21)
Dieses Schicksal kann nicht dem Willen Gottes entsprechen!

Genau dieses Unverständnis macht auch heute selbst Christen blind.
Die biblische Botschaft lautet: Esel sind klüger!
Das gilt für den Esel des Bileam,
aber nicht weniger für den Esel Jesu,
auf dem Er als der wahre König in Jerusalem einzieht!

Heute, am Palmsonntag, und während der ganzen Karwoche
sollten wir alle von diesen Eseln lernen!

Amen.