Predigt zum Ostersonntag 2004      
 Evangelium: Joh. 20, 1 - 18 
 Autor: P.Heribert Graab S.J. 
 Unser Osterbild 2004 ist kein traditionelles Osterbild. 
 Und doch vermittelt es uns unmittelbar 
 den Kern der Osterbotschaft. 
 „Steht doch ein Kreuz in jedem Land, 
 überall herrscht der Tod." 
 So haben wir am Kafreitag gesungen. 
 Und diese Erfahrung ist heute nicht einfach 
 wie weggepustet. Im Gegenteil: 
 Diese Erfahrung drängt sich uns auch am Osterfest 
 förmlich auf: 
 Auch heute werden - nicht nur im Irak - 
 Menschen zu Opfern von Terror und Gewalt. 
 Auch heute sterben rund 15.000 Kinder am Hunger. 
 Auch heute erleben wir das Sterben von Beziehungen. 

 Das Kreuz wirft seine Schatten 
 bis hinein in unser ganz persönliches Leben. 
 Und doch haben wir in dieser Nacht 
 ein prasselndes Osterfeuer entzündet. 
 Wir haben es bewußt entzündet 
 als ein Bekenntnis gegen die Dunkelheit von Leid und Tod. 
 Unsere Osterkerze gibt Zeugnis davon: 
 Die Osterbotschaft lebt! 
 „Christus ist auferstanden! 
 Er ist wahrhaft auferstanden!" 
 Christus hat den Tod besiegt - 
 auch unseren Tod und den millionenfachen Tod unserer Zeit - 
 und das endgültig! 
 Das helle Licht des Ostermorgens 
 ist stärker als alle Dunkelheiten dieser Welt - 
 so lautet die Botschaft unseres Osterbildes. 

 Unzählige Menschen in aller Welt 
 und eine Kirche voller Menschen auch hier in St.Michael 
 haben sich haben sich in der vergangenen Nacht 
 zu diesem österlichen Glauben bekannt. 
 Für viele war das jedoch ein Bekenntnis nach der Art jenes Bekenntnisses, 
 das der Vater des epileptischen Jungen im Evangelium 
 in die Worte kleidete: 
 „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!" 

 Angesichts der uns umgebenden Realität 
 tun wir uns schwer mit dem österlichen Kern unseres Glaubens. 
 Wir sind da in guter Gesellschaft. 
 Das ist das Tröstliche in allen biblischen Ostergeschichten - 
 auch in der des heutigen Tages: 
 Auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu kamen damals nur mühsam 
 und sehr langsam, Schritt für Schritt zum Osterglauben. 

 Maria von Magdala, die erste Zeugin des Ostergeschehens, 
 nimmt zunächst voller Schrecken den vom Grab entfernten Stein wahr: 
 Und: „Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, 
 und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat." 
 Auch Petrus sieht zuerst nur Vordergründiges: 
 „Die Leinenbinden und das Schweißtuch, 
 das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte." 

 Nur Johannes, von dem es heißt, 
 er sei Jesus in besonderer Liebe verbunden gewesen - 
 er „sah und glaubte". 

 Maria von Magdala aber, 
 die den Herrn wohl kaum weniger liebte, 
 ist noch von Tränen blind. Sie klagt immer noch: 
 „Man hat meinen Herrn weggenommen, 
 und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat." 

 Selbst als Jesus selbst vor ihr steht, 
 ist sie blind vor Trauer und Todeserfahrung: 
 „Wenn du ihn weggebracht hast, 
 sag mir, wohin du ihn gelegt hast." 

 Erst als Jesus sie persönlich anspricht: „Maria", 
 öffnet ihr der vertraute Klang seiner Stimme 
 die Augen österlichen Glaubens. 
 Der allerdings wird dann noch einmal hart auf die Probe gestellt: 
 „Halte mich nicht fest!" 
 Anders ausgedrückt: 
 • Es geht nicht einfach so weiter wie bisher. 
 • Es geht um ein neues, um ein verwandeltes Leben. 
 • Es geht nicht um eine „wissenschaftlich" greifbare Wirklichkeit. 
 • Es geht um die Herausforderung des Glaubens - 
 auch für uns! 

 In dem schrittweisen Herantasten an das Ostergeheimnis 
 können wir unsere eigenen Schwierigkeiten mit dem Glauben 
 an eine persönliche Auferstehung der Toten wiedererkennen. 
 Die Frauen am Grab Jesu 
 und die verunsicherten und ängstlichen Jünger 
 laden uns ein zu Fragen: 
 Gibt es in meinem Leben z.B. weggewälzte Steine 
 vor einem Ort scheinbar begrabener Hoffnung? 
 Wo suche ich das Leben, den Lebenden - suche ich überhaupt? 
 Gibt es auch in meinem Leben Momente des Staunens, 
 wo ich mir denke: Es muß doch letztlich mehr als alles geben? 

 Das gibt es doch wirklich - auch in unserem Leben: 
 Ein Stein gerät ins Rollen. 
 Irgendjemand ist da mit einem guten Rat, 
 mit einem freundlichen Gesicht, 
 einer Hand, die sich mir entgegenstreckt, 
 mit einem Wort, das mich trifft... 
 Wo ich spüre: Es geht wieder weiter - 
 ein Zipfel von Ostern mitten im Alltag, 
 Orientierung und Neubeginn. 

 Wie oft lähmt uns die Angst!? 
 Die Angst vor einem notwendigen Gespräch in der Beziehung, 
 wenn die Alltagssorgen und die Routine 
 die Liebe zu töten drohen. 
 Die Angst zu versagen, 
 einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein, 
 die Angst, die eigenen Zukunft nicht zu bewältigen. 
 Überall da, wo ich mich traue, 
 diese Angst zu überwinden; 
 überall da, wo ich in den dunklen Augenblicken 
 oder gar Phasen meines Lebens 
 den „Silberstreif am Horizont" entdecke, 
 Überall da, wo ich die beglückende Erfahrung von etwas Neuem mache, 
 überall da, wo ich ausgetretene todmachende Wege verlasse, 
 überall da auch, wo Menschen den Mut und das Engagement aufbringen, 
 sich gegen die krankmachenden und todbringenden Strukturen der Gesellschaft 
 zu stemmen und sie aufzubrechen - 
 überall da geschieht Auferstehung - jetzt schon, 
 überall da ist Ostern - jetzt schon. 

 Ostern - das ist nicht nur Erinnerung an die Auferstehung Jesu 
 vor 2000 Jahren und nicht nur die Hoffnung darauf, 
 daß wir selbst am Ende unseres irdischen Lebens auferstehen werden. 
 Ostern - das ist auch die Zusage: 
 Auferstehung ist jetzt und hier 
 in vielen Situationen des Alltags möglich. 
 Und sie geschieht auch! 
 Wir müssen nur mit österlichen Augen 
 die Wirklichkeit anschauen. 
 Dann entdecken wir Ostern 
 mitten in unserem eigenen Leben. 

 Amen.