Natürlich wäre es äußerst reizvoll,
dieser Predigt das Evangelium zugrunde zu legen (Mt. 22, 15-21)
und <fett>nicht</fett> über die Steuern damals und heute
zu sprechen,
sondern über den Götzendienst,
der zu allen Zeiten hinter den Finanzen
und hinter der Macht über die Finanzen
als ein dunkler Schatten steht.
Ich möchte diesem reizvollen Thema widerstehen
und statt dessen die heutige Wahl des PGR und des KV
zum Anlaß nehmen, einige Gedanken zum Thema
„Demokratie und Mitbestimmung in der Kirche" darzulegen.
Kirche - Demokratie - Mitbestimmung -
das sind Begriffe, die kaum jemand spontan
in Bezug zu einander setzen würde.
Und der wohl überwiegende Teil der Kirchengeschichte
gibt zweifelsohne Zeugnis von einer
durch und durch undemokratischen und autoritären,
ja oft sogar machtbesessenen Kirche.
Dennoch gibt es in der Neuzeit
- wenn auch zunächst bescheidene -
Ansätze einer Demokratisierung der Kirche.
Bei uns in Deutschland entwickelte sich
z.B. das Kirchenvorstandsrecht
zu einem im strengen Sinn des Wortes
demokratischen Selbstbestimmungsrecht -
das allerdings für‘s erste unter dem massiven Druck staatlicher
Autorität,
die nur unter dieser Voraussetzung bereit war und ist,
Kirchensteuern durch ihre Finanzämter einzuziehen.
(In Klammern sei vermerkt,
daß der Staat sich für diesen Service
außerdem fürstlich bezahlen läßt!)
Jedenfalls hat in einer Kirchengemeinde
der gewählte Kirchenvorstand die Finanz- und Vermögenshoheit.
Darüber kann sich auch der Pfarrer nicht hinwegesetzen.
Alle größeren Ausgaben müssen vom Kirchenvorstand beschlossen
werden,
und für kleinere Ausgaben sind sowohl der Pfarrer,
wie auch alle anderen haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen
der Kirchengemeinde dem Kirchenvorstand rechenschaftspflichtig.
Ebenso übt auf Bistumsebene der Diözesankirchensteuerrat
Mitbestimmungs- und Kontrollfunktionen aus.
Sie haben also heute die Chance,
mit der Wahl des Kirchenvorstandes
und anschließend natürlich mit durch den Kontakt mit den
von Ihnen Gewählten
ganz massiv Einfluß zu nehmen auf die Finanzpolitik,
mit der auch in einer Kirchengemeinde vieles steht und fällt.
Unser Kirchenvorstand in St.Michael ist übrigens schon lange
keine Domäne der Männer mehr.
Die puren Zahlen belegen das nur unzulänglich:
Im noch amtierenden Kirchenvorstand gibt es drei Frauen,
auf dem Stimmzettel zur heutigen Wahl
stehen leider sogar nur zwei Frauen.
Aber in der konkreten Finanzpolitik der Gemeinde
sind es vor allem zwei Frauen, die die Vorarbeit leisten
und damit die Vorentscheidungen treffen.
Der Pfarrer hat es längst aufgegeben,
auch nur einen fundierten Überblick über die Finanzen zu
behalten.
Stimmen Sie also bitte nicht in das öffentliche Gezeter
über die undemokratischen Strukturen der Kirche mit ein,
sondern nehmen Sie Ihre demokratischen Rechte in der Kirche wahr,
und wählen Sie heute bitte nicht nur den Kirchenvorstand,
sondern bleiben Sie auch im Gespräch mit den Mitgliedern des Kirchenvorstandes,
lassen Sie sich informieren, tragen Sie Ihre Vorstellungen und Anliegen
vor
und versuchen Sie, die auch politisch durchzusetzen.
Politikmüdigkeit ist der Tod jeder Demokratie -
in der Kirche ebenso wie in Staat und Kommune!
So wichtig die Finanzen sind -
sie sind natürlich nicht alles.
Ganz im Gegenteil - im Zentrum kirchlichen Lebens
und auch im Zentrum unseres Gemeindelebens
stehen die Feier der Gottesdienste,
die Verkündigung der frohen Botschaft,
die caritativen Dienste
und das kommunikative Miteinander.
Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil
haben die Mitbestimmungsmöglichkeiten aller Gläubigen
auch in diesen zentralen Aufgabenfeldern von Kirche
deutliche Fortschritte gemacht -
obwohl da sicherlich noch viele Wünsche offen bleiben.
Es wäre gewiß interessant,
unter dieser Rücksicht einen Blick auf die Gesamtkirche zu werfen
und auf die Situation in den einzelnen Diözesen.
Dabei würden wir unter Garantie
auf einige sehr positive Aspekte der Entwicklung stoßen,
die in der Öffentlichkeit und zumal in den Medien
kaum wahrgenommen werden -
wie ja überhaupt die Medien vor allem von negativen Schlagzeilen
leben.
Aber ich möchte mich auf die Kirche im Kleinen,
also auf St.Michael beschränken.
Denn hier in St.Michael und überhaupt in den norddeutschen Kirchengemeinden
stehen Wahlen an - wenn Sie so wollen, kirchliche „Kommunalwahlen".
Und da geht es nicht nur um den Kirchenvorstand,
sondern ebenso sehr um den Pfarrgemeinderat.
Der ist z.B. ein konkretes Ergebnis der Zweiten Vatikanischen Konzils.
Im Unterschied zum Kirchenvorstand hat er
zwar nicht das letzte Entscheidungsrecht in wichtigen Fragen,
wohl aber ein wesentliches Mitbestimmungsrecht.
Unser Pfarrgemeinderat hat in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode
ganz entscheidende Impulse für St.Michael gesetzt.
Nur einige seien genannt:
• Auf dem Hintergrund der wieder aktuellen öffentlichen Diskussion
um den Mittagstisch
ist mir z.B. wichtig darauf hinzuweisen,
daß alle diesbezüglichen Konzepte und Entscheidungen
im Pfarrgemeinderat ausführlich diskutiert,
teilweise auch verändert
und letztendlich mitgetragen wurden und werden.
• Die zunehmende Öffnung von St.Michael in die Stadt hinein
ist das Ergebnis von Beratungen im Pfarrgemeinderat.
- Das gilt für die zunehmende Bedeutung unserer Kirche als City-Kirche.
- Das gilt für etliche Elemente von City-Pastoral,
die weit über traditionelle Gemeindepastoral hinausgeht.
- Das gilt auch für eine engagierte Beteiligung
an der Diskussion um die Gestaltung der Göttinger Innenstadt.
Gerade der Pfarrgemeinderat der einzigen katholischen Innenstadtkirche
fühlt sich für diesen wichtigen Lebensraum mitverantwortlich
und weiß natürlich auch,
daß das Leben in dieser Kirche
nicht zuletzt mit abhängt von einer lebendigen Innenstadt.
• Des weiteren gehen spirituelle Impulse in St.Michael
zu erheblichen Teilen vom Pfarrgemeinderat aus.
Ich möchte da nur ein Stichwort nennen:
Das Konzept von „Gemeinde unterwegs"
und immer wieder die konkrete Realisierung dieses Konzeptes
sind vor allem das Werk unseres Pfarrgemeinderates.
• Auf seiner letzten Klausurtagung hat der Pfarrgemeinderat
sich intensiv mit dem Thema „Eucharistiefeier und Ökumene" auseinandergesetzt.
Da ging es nicht nur um unsere bereits praktizierte eucharistische
Gastfreundschaft,
sondern auch um die Fragen möglicher Zukunftsperspektiven,
und darum, wie die Spannung zwischen gesamtkichlichen Positionen
und Gemeindepraxis konkret für die Zukunft fruchtbar gemacht werden
kann.
Da bleibt auch für den neuen PGR noch einiges zu tun.
• Auf der Tagesordnung des neuen Pfarrgemeinderates
wird voraussichtlich eine noch lebendigere
und attraktivere Gestaltung unserer Gottesdienste stehen.
Davon leben wir als Gemeinde.
Davon lebt St.Michael auch als Innenstadtkirche.
Einige Vorarbeiten des alten PGR dazu
wird der neue PGR weiterführen müssen.
Denn auch in der Kirche ist - wie in der großen Politik -
Kontinuität unverzichtbar.
• Schließlich noch der Hinweis auf die enormen Aktivitäten
des Pfarrgemeinderates in den Bereichen Kommunikation und „Feste und
Feiern"
und auf die damit verbundene Menge von oft unsichtbarer Kleinarbeit.
Gerade vom scheidenden Pfarrgemeinderat
sind da viele neue Impulse und Ideen ausgegangen.
Da geht es immerhin um den zentralen Stellenwert
zwischenmenschlicher Kommunikation,
die unverzichtbar ist in einer christlichen Gemeinde.
Schon das Wort „Gemeinde" hat ja wohl etwas mit Gemeinschaft zu tun.
Und täglich und vor allem sonntäglich feiern wir „Kommunion",
was ja sehr viel mit „Kummunikation" zu tun hat.
Aus diesen Beispielen mag ersichtlich sein,
welch überaus große und demokratische (!) Bedeutung
unser Pfarrgemeinderat hat,
und wie unverzichtbar es ist,
daß Sie sich an seiner Wahl beteiligen.
Mehr noch:
Eine Demokratie, die auf das Kreuzchen am Wahltag reduziert ist,
ist eine tote Demokratie - auch in der Kirche.
Was für den Kirchenvorstand gilt, gilt erst recht für den
Pfarrgemeinderat:
Mischen Sie sich ein - und das nicht nur am Wahltag!
Der Pfarrgemeinderat tagt öffentlich!
Machen Sie davon Gebrauch!
Und wenigstens in diesem einen Punkt
ist kirchliche Demokratie der staatlichen Demokratie sogar voraus:
Die Öffentlichkeit im Pfarrgemeinderat ist nicht auf‘s Zuhören
begrenzt.
Sie dürfen sich dort sogar zu Wort melden!
Klagen Sie nicht über unterentwickelte Demokratie in der Kirche,
sondern leben Sie diese Demokratie.
Ich bin sicher,
Sie sind dem neuen Pfarrgemeinderat als Gast,
aber auch mit Ihren Ideen herzlich willkommen.
Amen. |