Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis (A) 
am 27. Januar 2002
Evangelium: Mt. 4, 18 - 23; 
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Unsere Krippe ist schon lange keine Weihnachtskrippe mehr.
Sie mausert sich nach und nach zu einer Jahreskrippe,
wie es sie in süddeutscher Tradition hier und da gibt.
Da wird manchmal Sonntag für Sonntag
das jeweilige Evangelium szenisch dargestellt.
Nach der Szene der Taufe Jesu
zeigt unsere Krippe heute die Berufung der ersten Jünger.

Sie sind - wie wir gehört haben - Fischer am See Genesareth.
„Kommt her, folgt mir nach!
Ich werde euch zu Menschenfischern machen,"
sagt Jesus wie selbstverständlich zu ihnen.

In unserer Umgangssprache hat dieses Wort vom „Menschenfischer"
jedoch keinen guten Klang -
und das war damals nicht anders.
In der biblischen Überlieferung ist z.B. beim Propheten Jeremia
von Menschenfischern die Rede:
„seht, ich hole viele Fischer - Spruch des Herrn -
die sollen sie fangen;
ich hole viele Jäger,
die sollen sie erlegen." (Jer. 16,16).

„Sie" - das sind keineswegs die Freunde des Herrn,
die er in seinen Dienst ruft;
das sind vielmehr jene Israeliten,
die ihren Gott verraten haben,
die „abscheulichen Götzen" nachgelaufen sind
und so das Maß ihrer Schuld vollgemacht haben.
Die „Menschenfischer" und „Menschenjäger" des Jeremia
sollen sie „einfangen" und „erlegen";
sie sollen sie ihrer Strafe zuführen.

Auch nach unserem Sprachverständnis steckt im Wort vom „Menschenfischer"
etwas Negatives, z.B. ein Moment überlistender Schlauheit.
Menschenfischer „umgarnen" andere
mit ihren schönklingenden Worten,
die häufig nichts als Phrasen oder gar Lügen sind.
Und da gibt‘s dann viele,
die diesen Menschenfischern „ins Netz gehen".
In der Werbung erleben wir häufig
diese Art von Menschenfischerei,
oder hier und da auch in der Politik,
im beginnenden Wahlkampf zum Beispiel.
Aktuell gilt für viele auch der Werbefeldzug
für das Buch „Kraft zum Leben"
als eine üble Art von Menschenfischerei.

Natürlich meint Jesus etwas ganz anderes,
wenn er seine Jünger zu „Menschenfischern" machen möchte.
Ihm geht es darum, Menschen auf seine liebenswürdige Art zu gewinnen
für die frohe und frohmachende, für die beglückende Botschaft
von Gottes Güte und Erbarmen, 
von jener Geborgenheit, die nur Er schenken kann,
vom kommenden Reich Gottes,
das endlich Gerechtigkeit möglich macht
und den ersehnten Frieden schenkt.

Jesus selbst ist „Menschenfischer",
indem er zu ihnen spricht, wie noch niemand vor ihm gesprochen hat:
Mit Vollmacht und gewinnender Faszination.
Jesus selbst ist „Menschenfischer",
indem er die Kranken heilt,
sich den Ausgegrenzten zuwendet,
„Dämonen" austreibt
und Kinder segnet.

Nach Jesu eigener Art sollen auch seine Jünger
Menschenfischer sein.
Und dabei hören sie nicht auf, das zu sein,
was sie sind: Fischer.
Allerdings bekommt ihr Beruf eine völlig andere Qualität:
Er vermenschlicht sich.
Die Fähigkeiten, die sie bisher schon für ihren Beruf brauchten,
verwandeln sich nunmehr in Weisen,
einander menschlich zu begegnen:
Geduld, Wachsamkeit, Ausdauer, Zielstrebigkeit,
eine gewisse Langsamkeit der Bewegungen,
ein Gespür dafür,
den anderen nicht durch Unachtsamkeit zu verschrecken.
All das, was einen guten Fischer ausmacht,
werden diese Jünger auch in Zukunft benötigen;
aber es wird Teil einer menschlichen Haltung;
es hört auf, nur eine berufliche Verfahrensweise zu sein.

Wir alle, die wir durch Taufe und Firmung in Jesu Nachfolge gerufen sind,
können also von diesen einfachen Fischern
eine Menge lernen:
Auch für uns gilt, daß wir herausgerufen sind
aus einer ausschließlich privaten Lebensweise,
herausgerufen auch aus einer Glaubenspraxis,
die sich lediglich als Privatangelegenheit versteht.

Auch für uns bedeutet Berufung in die Nachfolge Jesu
„Menschenfischer" zu werden -
und das nach der Art und Weise des Meisters selbst.
Jene Fähigkeiten, die die ersten Jünger Jesu als Fischer mitbrachten,
können und sollen auch unseren Umgang miteinander
und mit allen Menschen prägen.
Dann werden - wie damals - Außenstehende aufmerksam werden
und vielleicht sagen: „Seht, wie diese Christen miteinander und mit uns umgehen.
Von solchen Menschen lassen wir uns gerne gewinnen." 

Amen.