Predigt zum 7. Sonntag im Jahreskreis (A)
Lesung: 1.Kor. 3, 16 - 23
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Das Schlüsselwort der Lesung heute
ist das Wort vom lebendigen Tempel Gottes,
Als Tempel Gottes sieht Paulus
die Christen in Korinth und ihre Gemeinde.
Die alttestamentliche Vorstellung
von der Heiligkeit des Tempels, in dem Gott wohnt,
wandelt sich bei Paulus:
Für ihn ist der Tempel nicht mehr
dieser massive und prachtvolle Bau in Jerusalem.
Paulus versteht vielmehr die Christen selbst
und die Kirche, die aus lebendigen Menschen besteht,
als Tempel Gottes.
Der Gemeinde in Ephesus schreibt Paulus:
“Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut;
der Schlußstein ist Christus Jesus selbst.
Durch Ihn wird der ganze Bau zusammengehalten
und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn.
Durch Ihn werdet auch ihr
im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut.” (Eph. 2, 20-22).

In diesem neuen Tempel,
der aus “lebendigen Steinen” erbaut ist (cf. 1. Petr. 2, 5),
hat jeder Stein eine ganz wichtige und einmalige Funktion.
Daher ist es ganz und gar widersinnig und unmöglich,
den einen gegen den anderen auszuspielen.
Da klingt wieder das zentrale Thema der Briefes an:
    “Zank und Streit” in der Gemeinde,
    “Zank und Streit” in der Kirche.
Niemand kann sich selbst oder auch andere “rühmen”.
Menschenruhm ist nichts als törichte “Weisheit dieser Welt”!
Und wer die Gemeinde spaltet, zerstört den Tempel Gottes.
Der Lesungstext gipfelt in einem dynamischen Schlußakkord:
“Alles gehört euch: Paulus, Apollos, Kephas,
Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft -
alles gehört euch.
Ihr aber gehört Christus
und Christus gehört Gott.”

Immer wieder kommt Paulus in seinen Briefen zurück
auf das Bild vom “lebendigen Tempel Gottes”.
Vielfach kombiniert er das Bild vom Tempel aus lebendigen Steinen
mit dem Bild vom Leib und seinen Gliedern.
Ebenfalls im 1. Korintherbrief schreibt er:
“Wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist,
der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?” (1.Kor. 6, 19).

Bei diesem Wort hat Paulus im ganz wörtlichen Sinn
den biologischen Leib eines jeden einzelnen Christen vor Augen.
Er trennt nicht zwischen Leib und Person:
Der ganze Mensch als leibhafte Person
ist durch Christus erlöst und geheiligt.
Darin ist unsere Würde
und eben auch die Würde des Leibes begründet.
Mag auch dieser irdische Leib vergänglich sein -
als ganze Menschen sind wir mit Christus zur Auferstehung berufen:
“Gesät wird ein irdischer Leib,
auferweckt wird ein überirdischer Leib.” (1.Kor. 15, 44).
Eine Leibfeindlichkeit,
die leider immer wieder in der Kirche Platz gegriffen hat,
ist ganz und gar unchristlich!

Paulus benutzt das Bild vom Leib als Tempel Gottes
allerdings mehr noch für die Gemeinde und für die Kirche als Ganze.
Einige Kapitel weiter malt er dieses Bild aus:
“Wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat,
alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind,
einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus.
Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe
alle in einen einzigen Leib aufgenommen,
Juden und Griechen, Sklaven und Freie;
und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.” (1.Kor. 12,12 f).

Es geht Paulus auch an dieser Stelle um Versöhnung -
um die Versöhnung von so unterschiedlichen Gruppen
in der Gemeinde,
wie es damals z.B. Juden und Griechen, Slaven und Freie waren.
Christus Jesus “ist unser Friede”, sagt er in seinem Epheserbrief.
“Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden)
und riß durch sein Sterben
die trennende Wand der Feindschaft nieder.” (Eph. 2, 14).
Heute würde es ihm wahrscheinlich um die Versöhnung
anderer sich entgegen stehender Gruppen gehen:
um Einheimische und Fremde,
um “Konservative” und “Progressive” etwa.
“Das Band, das alles zusammenhält,” ist die Liebe,
heißt es im Kolosserbrief.
Und “in eurem Herzen herrsche der Friede Christi;
dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes.” (Kol. 3, 14 f).

Im Bild vom Leib und seinen Gliedern
entfaltet Paulus einen Kerngedanken des Evangeliums.
Er sagt den Korinthern:
“Gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes
sind unentbehrlich.” (1. Kor. 12, 22)
Gerade sie gilt es in besonderer Weise zu pflegen.
Im Verständnis des Paulus vom Leib und seinen Gliedern
steckt also auch eine deutliche Kritik
am modernen Leistungsprinzip,
insofern es die Schwächeren an die Wand drückt.

Und nicht zuletzt würde Paulus heute wohl
sehr kritische Worte finden
zum weit verbreiteten Individualismus in unserer Gesellschaft.
Sowohl das Bild von den lebendigen Steinen,
die gemeinsam den Tempel auferbauen,
als auch das Bild vom Leib,
in dem alle Glieder füreinander
und für das Ganze verantwortlich sind,
ist unvereinbar mit einer individualistischen Lebenspraxis:
“Jeder für sich” und schon längst nicht mehr “Gott für uns alle”.

Noch einmal der wunderschöne und dynamische Hymnus,
der die heutige Lesung abschließt:
“Alles gehört euch:”
•    Die Welt mit all ihren Möglichkeiten und Chancen,
•    das Leben in seiner ganzen Fülle, mit Höhen und Tiefen,
•    der Tod als Vollendung dieses Lebens im Endgültigen,
•    die Gegenwart - auch unserer Kirche mit all ihren Krisen,
•    die Zukunft von Kirche und Welt
•    und nicht zuletzt die vielen Ideen in der Kirche,
    die vielen Kulturen, die vielen Gestalten
    von Theologie und Liturgie
    und die konkreten Menschen, die diese Vielfalt repräsentieren -
all das und all die Vielfalt, die uns auch in der Kirche begegnet,
“alles gehört euch.
Ihr aber gehört Christus
und Christus gehört Gott.”

Amen.