Predigt zum Totengedenken
am Donnerstag, dem 13. November 2014
Thema: Warum gedenken wir der Toten? warum beten swir für sie?


Jahr für Jahr versammeln wir uns zu dieser Jahreszeit,
um mit der Feier der Eucharistie
der verstorbenen Kolleginnen und Kollegen zu gedenken
und für sie zu beten.
Warum tun wir das? Warum gedenken wir der Toten?
Und warum beten wir für sie?

1.    Ob die Toten jemanden brauchen, der ihren Namen bewahrt,
sei dahingestellt – ich weiß es nicht.
Wohl aber bin ich sicher,  daß wir sie brauchen -
daß etwas in uns stirbt, wenn wir sie vergessen:
nämlich das Leben, das wir mit ihnen geteilt haben.
Kein Mensch ist Robinson auf einer einsamen Insel.
Wir alle sind geschaffen nach dem Bild und Gleichnis Gottes.
Das heißt aber auch: Das Miteinander in Gemeinschaft
gehört zum Wesen eines jeden Menschen.
Dieses Miteinander prägt das Leben eines jeden von uns.
Das Leben mit anderen im privaten Bereich und auch im Beruf
hinterläßt seine Spuren in dem, was wir sind.
Ohne all die Begegnungen, die gemeinsamen Erfahrungen,
ohne all das, was wir gemeinsam geschafft haben,
und auch ohne all das, was wir miteinander erlitten haben,
und nicht zuletzt ohne all die Verletzungen,
die wir einander zugefügt haben –
ohne all das wären wir nicht die, die wir sind!

Vielleicht sollte dies heute eine Anregung sein,
einmal darüber nachzudenken,
welche Spuren diese verstorbene Kollegin oder jener tote Kollege
in meinem Leben hinterlassen hat.
Wahrscheinlich würde uns so manches in den Sinn kommen,
was wahrlich ein Grund wäre, dankbar zu sein.

Wenn ich mich in der Kirche umschaue,
sehe ich vor allem ältere Menschen.
Vermutlich kennen Sie die ein oder den anderen von den Verstorbenen,
derer wir heute gedenken, ganz persönlich.
Die jüngeren, heute aktiven Mitarbeiter
von Post, Telecom oder Postbank
haben diesen persönlichen Bezug eher nicht.
Und doch - scheint mir - wäre es auch für sie sinnvoll,
mit uns gemeinsam der Toten zu gedenken.
Denn auch ihr Leben und Arbeiten ist von dem,
was frühere Generationen geschaffen haben, mitgeprägt.
Wir alle - auch die Jüngeren - stehen „auf den Schultern der Vorfahren“.
Was wir heute tun, und was unser Leben ausmacht,
wäre so nicht möglich ohne das Leben und Wirken derer,
die vor uns waren.
Wir haben eine gemeinsame Geschichte – in unserer Familie,
auch in unserem Unternehmen und nicht zuletzt in unserem Volk.
Diese Geschichte zu vergessen, macht unser Leben arm,
und nicht selten kann das Vergessen
sogar in vermeidbare Katastrophen führen.

Das Gedenken an unsere Verstorbenen ist also unverzichtbar,
wie auch das Gedenken herausragender Ereignisse unverzichtbar ist.
All diese geschichtlichen Ereignisse sind ja ganz eng verbunden
mit konkreten Menschen der Vergangenheit.
Der 9. November, der gerade hinter uns liegt,
ist ein wichtiges Beispiel dafür.

Über diese Überlegungen hinaus ist für uns als Christen
der österliche Glaube an die Auferstehung der Toten
ein wesentlicher Grund des Totengedenkens.
Nicht nur rückblickend sind wir den Verstorbenen verbunden;
vielmehr bilden wir mit ihnen eine Gemeinschaft über den Tod hinaus.
Indem wir ihrer gedenken, schauen wir mit ihnen
in unsere gemeinsame von Gott geschenkte Zukunft.

2.    Es bleibt die Frage, warum wir für die Toten beten.
Auch da überlege ich manchmal:
Brauchen die Verstorbenen unser Gebet wirklich?
Je älter ich werde, um so mehr bin ich im Glauben
von Gottes Barmherzigkeit überzeugt -
auch und gerade im Blick auf unsere Verstorbenen.
Papst Franziskus und sein unerschütterliches Vertrauen
in die Barmherzigkeit Gottes bestärkt mich in diesem Glauben. 

Andererseits bin ich auch davon überzeugt,
daß Gottes Liebe uns niemals zu irgend etwas zwingt -
auch nicht zum Glauben und zur Annahme Seiner Liebe.
Wohl aber vertraue ich auf die verwandelnde Kraft der Liebe.
Ich hoffe darauf, Gott wird selbst die Verstockten unter uns
spätestens in der Stunde des Todes durch Seine Liebe verwandeln
und für ein freies und sogar freudiges ‚Ja‘ des Glaubens gewinnen.
So bete ich, die verwandelnde Kraft der Liebe Gottes
möge auch unsere Verstorbenen öffnen
für Fülle des Lebens in Seiner Herrlichkeit.

Sodann denke ich immer wieder daran,
daß selbst Jesus gebetet hat - nicht nur dankend und lobpreisend.
Zumal am Ölberg war Sein Gebet ein eindringliches Bittgebet:
Dort am Ölberg betete Jesus in der existentiellen 
und durch und durch menschlichen Angst angesichts des Todes.
Er flehte zu Gott, der möge den Kelch an Ihm vorübergehen lassen,
obwohl oder auch weil Er doch mehr als jeder von uns
auf Gottes Barmherzigkeit vertraute.
Er betete also zwischen Angst und Hoffnung,
zwischen menschlicher Unsicherheit und tief verwurzeltem Vertrauen.

So darf auch ich beten und Gott bestürmen,
daß Er sich an mir selbst und an den Verstorbenen erweisen möge
als der, der Er ist: Der liebende und barmherzige Gott,
der auch uns verwandeln kann zu Menschen,
die ganz und gar offen sind für Seine Liebe -   
zumal in der Stunde des Todes.

Aus der besorgten Liebe zu unseren Verstorbenen
und zugleich auf Gottes Barmherzigkeit vertrauend
laßt uns auch jetzt in den Fürbitten für die Verstorbenen beten!

Amen.