Das ärgerliche Sommertheater von Teilen der SPD ist inzwischen
beendet
und hat seine Quittung erhalten in den Wahlen der vergangenen Wochen.
Nun zetteln - mit Verspätung - einige deutsche Bischöfe gemeinsam
mit Scharfmachern im Vatikan ein nicht weniger ärgerliches Sommertheater
in der Kirche an.
Erinnern wir uns:
Ende Juni hatten die deutschen Bischöfe bei ihrer Vollversammlung
in Würzburg
einstimmig den Beschluß gefaßt,
die Schwangerenkonfliktberatung weiterzuführen.
Dieser Beschluß war möglich geworden,
nachdem man einer Bitte des Papstes nachgekommen war
und der Beratungsbescheinigung einen Zusatz angefügt hatte:
„Diese Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen
verwendet werden".
Der Würzburger Kompromiß fand die ausdrückliche Zustimmung
aller Bischöfe
mit Ausnahme des Fuldaer Bischofs Dyba, der sich der Stimme enthielt,
sowie die schriftliche Zustimmung des Vatikans.
Obwohl Bischof Dyba den Kompromiß nicht durch ein klares Nein
abgelehnt hatte,
begann er bereits kurz nach der Entscheidung in Würzburg
eine öffentliche Kampagne gegen die Entscheidung der Bischofskonferenz
und ganz persönlich gegen Bischof Lehmann, den Vorsitzenden dieser
Konferenz,
auf dessen Engagement der Kompromiß vor allem zurückging.
Zugleich erhob sich heftiger Protest in erzkonservativen Kreisen der
deutschen Kirche.
Wie in diesen Kreisen üblich, schrieben etliche Bedenkenträger
nach Rom.
Auch die Frankfurter Allgemeine machte sich zum Sprachrohr dieser Kreise.
Die Folge: Erneute Verunsicherung -
nicht etwa beim Kirchenvolk,
sondern vor allem bei einigen Bischöfen.
Zumal Kardinal Meisner war sich auf einmal seines eigenen Gewissens
nicht mehr so sicher.
Erneut brach er eine Diskussion vom Zaun
und initiierte ein weiteres Treffen im Vatikan -
ausgerechnet wenige Tage vor der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz,
auf der auch die Neuwahl des Vorsitzenden ansteht.
Nun ist sicherlich zuzugeben,
daß es bei den anstehenden Fragen sehr wohl um ernstzunehmende
Gewissensfragen geht.
Um ernstzunehmende Gewissensfragen,
nämlich um die soziale Gerechtigkeit,
ging es übrigens auch beim Sommertheater der SPD.
Nicht das Gewissen macht die Vorgänge zum ärgerlichen Sommertheater.
Es geht um etwas anderes:
War sich Kardinal Meisner in Würzburg nicht bewußt, was er
tat?
War er sich nicht darüber im klaren,
daß der Zusatz auf dem Beratungsschein für die staatlichen
Behörden rechtsunerheblich sein würde? Oder hat er damals sein
Gewissen nur sehr oberflächlich befragt?
Was berechtigt einzelne Bischöfe,
de facto zu unterstellen,
alle anderen Kollegen im Bischofsamt folgten einem irrigen Gewissen
oder seien gar „gewissenlose Gesellen"?
Was berechtigt sie,
Ihr eigenes Gewissen über das der anderen zu stellen?
Oder geht es gar - wie häufig in der Politik - um bloße
Machtfragen?
Für die katastrophalen Wahlschlappen der SPD
mag es verschiedene Ursachen geben;
eine davon jedoch ist gerade das Sommertheater
und die egozentrisch-rücksichtslose Art,
mit der „Genossen" gegeneinander aufgetreten sind.
Was veranlaßt einzelne Bischöfe anzunehmen,
sie selbst und die Kirche insgesamt würden vom Kirchenvolk
nicht in ähnlicher Weise „abgestraft",
wie das Wahlvolk eine große Partei abgestraft hat?
Wie kommt es,
daß das bischöfliche Gewissen in der Beratungsfrage so empfindsam
reagiert,
gleichzeitig jedoch eine drohende Spaltung der Kirche in Deutschland
leichtfertig in Kauf nimmt?
Dürfen Bischöfe ungestraft dem Ansehen der Kirche
und ihrer Glaubwürdigkeit erheblichen Schaden zufügen?
Der Bischof von Evreux durfte es nicht.
Wird in der Kirche mit zweierlei Maß gemessen?
Im Evangelium des heutigen Tages
geht es wie so oft um die „Letzten",
denen Gott sich in besonderer Weise zuwendet -
allen Prinzipien zum Trotz.
Können wir nicht erwarten,
daß auch Bischöfe das Wohl der „Letzten" -
und das sind doch Frauen in Not -
über ein abstraktes Prinzipiendenken stellen?
Die Lesung dieses Tages schließt mit der Mahnung:
„Lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht!" (Phil.
1, 27a).
Wenige Zeilen später schreibt Paulus dann:
„Macht meine Freude dadurch vollkommen,
daß ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden,
einmütig und einträchtig,
daß ihr nichts aus Ehrgeiz und Prahlerei tut.
Sondern in Demut schätze einer den anderen höher ein als
sich selbst." (Phil. 2, 2-3).
Diese Mahnung gilt - auch wenn wir immer dahinter zurückbleiben
- uns allen.
Dieser Mahnung sollten sich zumal jene konservativen Kreise verpflichtet
fühlen,
die wie ein Banner den alten Liedvers vor sich hertragen
„Wir sind im wahren Christentum".
Amen. |