Predigt zum Christkönigsfest: 21.11.1999
P.Heribert Graab S.J.
Es geht um drei Dimensionen dieses Festes: Die politische Dimension, die persönliche Dimension und die eschatologische (= endzeitliche Dimension).

1. Die politische Dimension:

Als Thema eines eigenen Festes ist Christkönig sehr jungen Datums:
Pius XI. hat dieses Fest 1925 eingeführt.
Hintergrund: Die damals bereits um sich greifende Säkularisierung der Gesellschaft.
Diesem bedrohlichen Trend wollte Pius XI. eine konstruktive Botschaft entgegensetzen:
Christus ist der eigentliche Herrscher der Welt.
Er allein setzt Orientierungsmaßstäbe, 
die die sozialen Beziehungen von Menschen in Familie, Gesellschaft und Staat gelingen lassen.
Bereits wenige Jahre nach der Einführung des Christkönigsfestes
erhält es einen sehr hohen Erlebnis- und Zeugniswert vor allem für die katholische Jugend
als dezidierte Absage an den totalitären Machtanspruch des Faschismus.

Obwohl das Christkönigsfest also erst seit 1925 gefeiert wird,
hat es doch ein sehr breites biblisches Fundament:
Unzählige Male ist im Neuen Testament von Jesus Christus als von dem König der Welt die Rede.
Letztendlich geht diese diese Rede von Christus, dem König, zurück auf Visionen,
die an die geschichtliche Erfahrung Israels mit dem davidischen Königtum anknüpfen.
David ist als König der Erwählte Jahwes.
Im Namen Jahwes ist er der Mittler von Shalom,
d.h. von Recht und Gerechtigkeit im Inneren,
und Frieden in den Außenbeziehungen.

An diesem Verständnis des davidischen Königtums
orientiert sich die prophetische Kritik der heutigen Lesung:
„Weh den Hirten Israels, die nur sich selbst weiden...
Ihr trinkt die Milch, nehmt die Wolle für eure Kleidung,
und schlachtet die fetten Tiere,
aber die Herde führt ihr nicht auf die Weide..."
Und dann spricht Gott selbst:
„Ich gehe gegen die Hirten vor
und fordere meine Schafe von ihnen zurück.
Ich setze sie ab...
Die Hirten sollen nicht länger nur sich selbst weiden:
Ich reiße meine Schafe aus ihrem Rachen...
Ich selbst will ihr Hirte sein und für sie sorgen, wie es recht ist."

Hintergrund dieser Lesung sind die politischen Verhältnisse,
die letztendlich zum babylonischen Exil führten.
Jesus geht davon aus, daß es auch zu seiner Zeit, und wohl zu allen Zeiten
Anlaß zu einer solchen Herrschaftskritik gibt:
Er sagt sehr pauschal: „Ihr wißt, daß die Herrscher ihre Völker unterdrücken 
und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen mißbrauchen." (Mt. 20, 25).
Konstruktiv setzt er die Botschaft von der „Königsherrschaft Gottes" dagegen
und fordert von seinen Jüngern:
„Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will,
der soll euer Diener sein." (Mt. 20, 26).
Zeichenhaft zieht Jesus selbst nicht hoch zu Roß,
sondern auf einem Esel reitend in seine Königsstadt Jerusalem ein
und spielt damit auf die messianische Weissagung des Sacharja an:
„Ich vernichte die Streitwagen aus Ephraim
und die Rosse aus Jerusalem,
vernichtet wird der Kriegsbogen.
Er (der Messiaskönig) verkündet für die Völker den Frieden." (Sach. 9, 9 f.).

Es dürfte Ihnen allen nicht schwer fallen,
sozusagen aus Stegreif aktuelle Bezüge zu diesem Jesuswort und zur Lesung herzustellen:
Ein weltpolitisches Stichwort ist Tschetschenien,
wirtschaftspolitisch aktuelle Stichworte gibt es en masse:
- Börsenkurse, die automatisch steigen, wenn ein Unternehmen Arbeitsplätze abbaut;
- „feindliche Übernahme" - ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze;
- die Baufirma Holzmann, bei der Bosse den Karren in den Dreck gefahren haben
und die kleinen Leute das ausbaden müssen durch den Verlust ihrer Arbeitsplätze.
 

2. Die ganz persönliche Dimension:

Die kommt z.B. zum Ausdruck in einem klassischen Text der Spiritualität,
nämlich in der zentralen Exerzitien-Betrachtung des hl. Ignatius von Loyola vom „Ruf des Königs".
Auch dieser Text hat - wie die biblischen Texte - einen historischen Hintergrund:
Da ist einmal - noch zu Beginn der Neuzeit - das idealisierte Königsideal des hohen Mittaelalters,
in dem sich die ritterliche Herkunft des Ignatius spiegelt,
und zum anderen die fragwürdige, aber von Ignatius hochstilisierte Kreuzzugsgeschichte.

Ignatius lädt den Exerzitanten ein,
„sich einen menschlichen König vor Augen zu stellen,
von Gott, unserm Herrn, selber erwählt,
dem alle Fürsten und alle Christenmenschen Ehrfurcht erweisen und gehorchen.
...zu sehen, wie dieser König alle die Seinen anredet und spricht:
Mein Wille ist es, das ganze Land der Ungläubigen mir zu unterwerfen.
Deshalb: Wer mit mir kommen will,
hat mit der gleichen Speise zufrieden zu sein, wie ich sie habe,
ebenso mit Trank und Kleidung usf.
Gleichfalls hat er wie ich bei Tag sich anzustrengen 
und bei Nacht zu wachen usf.
Damit er nachher mit mir zusammen am Sieg Anteil habe,
wie er teilhatte an den Mühen."

Und dann gilt es,
„zu erwägen, was die guten Untertanen einem so freigebigen und menschenfreundlichen König
antworten müssen,
und folgerichtig, wie sehr einer, der den Antrag eines solchen Königs nicht annähme,
wert wäre, von der ganzen Welt gerügt 
und für einen entarteten Ritter (perverso caballero) angesehen zu werden."

Schließlich die Folgerung:
„Wenn wir schon einen solchen Ruf des irdischen Königs
an seine Untertanen in Erwägung ziehen,
um wieviel mehr ist es dann der Erwägung würdig,
Christus, unseren Herrn, den ewigen König zu sehen
und vor ihm die gesamte und vollständige Welt,
an die er als ganze und an den je Einzelnen im besonderen seinen Ruf ergehen läßt und spricht:
Mein Wille ist es, die gesamte Welt und sämtliche Feinde zu unterwerfen,
und so in die Glorie meines Vaters einzugehen.
Wer deshalb mit mir kommen will,
hat sich anzustrengen mit mir, 
damit er, wie er mir in der Mühsal folgte, so auch mir in der Glorie folge."

Ignatius hat bei dieser Betrachtung den berühmten Christushymnus 
im zweiten Kapitel des Philipperbriefes im Sinn:
„Er war Gott gleich...
Aber er entäußerte sich...,
erniedrigte sich
und war gehorsam bis zum Tod,
bis zum Tod am Kreuz."
Und gerade darum
„hat Gott ihn erhöht..:
Jesus Christus ist der Herr -
zur Ehre Gottes, des Vaters."

Für Ignatius ist es selbstverständlich,
daß wir als getaufte und mit Chrisam gesalbte Christen
selbst am königlichen Priestertum Jesu Christi Anteil haben,
und „ein Volk sind, das sein besonderes Eigentum wurde". (1.Petr. 2, 9).
Und so kann er sich nur vorstellen,
daß wir diesem König ganz selbstverständlich und in allem folgen. 
Alles andere wäre in seinen Augen pervers.
Und so schließt seine Betrachtung
mit einem Gebet der Hingabe.
 

3. Schließlich noch die endzeitliche Dimension des Königtums Christi:

Gerade die späten Sonntage im Kirchenjahr und dann auch der Beginn der Adventszeit
öffnen unseren Blick dafür, daß Jesus Christus die eigentliche Zeitenwende markiert,
daß mit ihm die Fülle der Zeiten angebrochen ist.
Erst 1970 wurde das Christkönigsfest auf den allerletzten Sonntag des Kirchenjahres gelegt.
Damit wird dieses Fest sozusagen zum Höhepunkt
der endzeitlichen Hoffnungsbotschaft, 
die uns Jesus Christus verkündet hat.

Und der Kern dieser Hoffnungsbotschaft ist:
Die Königsherrschaft Gottes, die bereits angebrochen ist,
wird endzeitlich zur Vollendung gelangen.
Gott „hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen,
in Christus alles zu vereinen,
alles, was im Himmel und auf Erden ist." (Eph. 1, 10).

„Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen
und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes...
In ihm wollte Gott mit seiner ganzen Fülle wohnen,
um durch ihn alles zu versöhnen.
Alles im Himmel und auf Erden 
wollte er zu Christus führen,
der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut." (Kol. 1, 12-20).

In diesen Texten scheint das Ziel der Welt- und Menschheitsgeschichte auf.
Und gerade in dem eschatologischen Text des neuen Testamentes schlechthin,
im Buch der Offenbarung des Johannes,
findet sich auch am häufigsten der Königstitel für Jesus Christus,
für das „Lamm, das geopfert ward".

Ein Wort aus der Offenbarung des Johannes soll daher am Schluß stehen:
„Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde,
Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit,
Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob...
Ihm, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamm
gebühren Lob und Ehre 
und Herrlichkeit und Kraft
in alle Ewigkeit." (Offb. 5, 12 f.).

Amen.