Predigt zum 16.
Sonntag im Jahreskreis (B) am 19. Juli 2009 |
Lesung: Jer. 23, 1 - 6 Evangelium: Mk. 6, 30 - 34 Autor: P.Heribert Graab S.J. Zur Sozialenzyklika "Caritas in Veritate" von Papst Benedikt XVI. Der Text der Enzyklika in einer Veröffentlichung von Radio Vatikan, |
Das biblische Bild vom Hirten
ist unserer Vorstellungswelt ziemlich fremd. Zudem wurde es durch entsprechende Andachtsbildchen reichlich verkitscht. Wo es uns dennoch heute begegnet, steht es ausschließlich im religiös-kirchlichen Kontext. Niemand kommt auf die Idee, es für die politisch Verantwortlichen eines modernen Staates zu benutzen. In der biblischen Umwelt jedoch sind das religiöse und das politische Leben auf das Engste miteinander verknüpft. Das Bild von den Hirten meint bei Jeremia vor allem den König und die politisch Verantwortlichen; und auch bei Jesus bezieht es sich nicht nur auf die religiöse, sondern ebenso sehr auf die politische Führungsschicht. Jeremia hat mit seiner schonungslosen Kritik, - von der wir übrigens in der Lesung nur einen Teil gehört haben - den König Jojakim, seine Prunksucht und sein räuberisches Gewinnstreben im Visier. Die eigentliche Aufgabe des Königs und seiner Regierung - ja, des ganzen Volkes - wäre es dagegen, für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen und vor allem den Schwachen und Armen zum Recht zu verhelfen. Die alten Propheten werden nicht müde, auf diese zentrale Verpflichtung hinzuweisen. Auch Jesus versteht sich in diesem Sinne durchaus als Prophet. In der Bergpredigt spricht Jesus zum Beispiel eine eindeutig prophetische Sprache. Oder denken Sie an Jesu Abrechnung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten (Mt. 23)! Und wenn Jesus heute im Evangelium beklagt, all die vielen Menschen seien wie “Schafe, die keinen Hirten haben”, dann meint Er natürlich, es fehle ihnen eine religiöse u n d politische Führung, die sich ihrer Verantwortung bewußt ist. Dementsprechend darf auch die Kirche Jesu Christi zu keiner Zeit auf eine prophetische Predigt verzichten. Gerade erst ist Papst Benedikt mit seiner neuen Sozialenzyklika dieser Verpflichtung der Kirche nachgekommen. Dieses bedeutende Rundschreiben ist durchaus vergleichbar mit der Predigt des Jeremia oder eines der anderen großen Propheten. Benedikt wendet sich als Prophet allerdings nicht wie Jeremia an die Regierenden eines einzelnen Volkes. Im Zeitalter der Globalisierung muß er selbstverständlich die ganze zusammenwachsende Welt im Auge haben. Benedikt spricht dabei eine sehr differenzierende Sprache, verzichtet weitgehend auf pauschale Verurteilungen, aber keineswegs auf deutliche und teilweise auch recht massive prophetische Kritik. So spricht er sehr unverblümt • von der “schreienden Ungerechtigkeit” im Verhältnis der reichen und armen Völker, • von fortbestehenden und neuen Formen des Kolonialismus, • und von der Verantwortungslosigkeit in den Führungsschichten auch so mancher armen Länder. • Er geißelt “Korruption und Illegalität”, • die zunehmende Ausbeutung von Arbeitern, und die Verletzung ihrer Menschenrechte, • die Auslagerung von Produktion in Niedriglohnländer - ausschließlich um des Gewinns willen, • die unverantwortliche Einstellung von Managern, die keinen Sinn haben für die soziale Verantwortung ihres Unternehmens, • die Spekulation jener Finanzjongleure, die die ganze Welt in die aktuelle Wirtschaftskrise gestürzt haben, • und überhaupt den Autonomieanspruch einer Wirtschaft ohne Moral, • sowie deren zerstörerischen Mißbrauch. • Uns allen schreibt er ins Stammbuch, daß wir keineswegs ein Recht auf unseren Überfluß beanspruchen dürfen, sondern um einen neuen, deutlich einfacheren, Ressourcen sparenden und gerechteren Lebensstil bemüht sein müssen. Es fällt jedoch auf, daß Benedikt - durchaus in guter prophetischer Tradition - einen sehr konstruktiven Kritikstil wählt: • Er sieht und benennt ausdrücklich auch die positiven Seiten der technischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen unserer Zeit. • Er spricht sehr wohl von den Chancen der modernen Marktwirtschaft in einer globalisierten Welt und auch von den positiven Möglichkeiten des bewundernswerten technologischen Fortschritts im Dienst an den Menschen. • Zugleich jedoch pocht er auf eine moralisch verantwortbare Gestaltung all dessen und nennt immer wieder auch konkrete positive Ansätze, die weiterentwickelt werden müssen. • Er betont, wie notwendig es ist, daß die politischen Autoritäten sich in der globalisierten Welt loslösen von nationalen Egoismen und mehr und mehr konstruktiv zusammenarbeiten. Er hält eine Reform der UNO und die Stärkung einer Weltautorität für dringend geboten - immer natürlich unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. • Benedikt nimmt ungeniert ein Wort in den Mund, das bei manch einem Konservativen - auch in der Kirche! - auf wenig Beifall stoßen wird: Er spricht ganz selbstverständlich von der Notwendigkeit einer “Umverteilung” des Reichtums zugunsten der Armen. • Sodann ist Benedikt weit davon entfernt, alles Elend dieser Welt den falschen Strukturen in die Schuhe zu schieben. Natürlich müssen die transparenter werden; aber sie sind nur ein Mittel in der Hand von konkreten Menschen, die sie verantwortlich gestalten müssen. Die neue Sozial-Enzyklika fügt sich einerseits ganz und gar in die Tradition der katholischen Soziallehre ein, insofern sie z.B. immer wieder um so zentrale Begriffe kreist wie “Gerechtigkeit”, “Gemeinwohl”, “Subsidiarität” und “Soldarität”; auch insofern sie z.B. die traditionelle Hochschätzung der Gewerkschaften wieder aufgreift. Andererseits jedoch entwickelt sie selbstverständlich die Tradition weiter im Blick auf die veränderten Gegebenheiten. Vor allem aber scheint mir, liegt diese Enzyklika durch ihre Argumentationsweise mehr als die traditionelle Soziallehre auf der Linie biblischer Prophetie: Benedikt bleibt seinem Hauptanliegen treu, Vernunft und Glauben zusammenzubringen. Obwohl er die traditionelle naturrechtliche Argumentation aufgreift, ist der Text doch vor allem vom Glauben und von der Theologie geprägt. Selbstverständlich ist es nicht möglich, in einer relativ kurzen Predigt der ganzen Enzyklika gerecht zu werden. Um so herzlicher möchte ich Sie einladen, sich selbst die Zeit für eine private Lektüre nehmen. Amen. |