Predigt zum Erntedankfest
am 7. Oktober 2018
(27. Sonntag im Jahreskreis B)
Lesung: Offb. 22, 1-3.5
Evangelium: Joh. 2, 1-11
Autor: P. Heribert Graab SJ
Vielleicht überrascht Sie heute am Erntedankfest
das Evangelium von der Hochzeit zu Kana.
Aber es gibt Gründe ausgerechnet für dieses Evangelium.

Da ist vor allem das Stichwort von der „Fülle“:
Die „Fülle“ ist bereits Kennzeichen der Schöpfung Gottes.
Und dann zieht sich diese „Fülle“ durch die ganze Geschichte Gottes
mit den Menschen und zumal mit Seinem Volk.
Gott begleitet diese Geschichte mit der „Fülle“ Seines Segens.
Das erste Zeichen Jesu zu Beginn Seines öffentlichen Wirkens
ist ein Zeichen der „Fülle“ -
nicht ein paar Flaschen Wein aus einer vergessenen Kellerecke,
sondern gleich sechs 100-Liter-Krüge randvoll.
Und dann im Wirken Jesu immer wieder diese „Fülle“:
Denken Sie etwa an die Brotvermehrung oder den reichen Fischfang.
Und schließlich zielt die Geschichte Gottes mit dieser Welt
hin auf die „Fülle“ des Reiches Gottes.
Eine Ahnung davon konnte uns die Lesung vermitteln
z.B. mit den Bäumen, die monatlich reiche Frucht tragen.

Stille

Aber betrachten wir noch vor den Zeugnissen der „Fülle“ in der Bibel
die überreiche „Fülle“ in Gottes Natur:
Schon der Frühling überschüttet uns
mit einer faszinierenden Blütenfülle.
Alles, was dem Fortbestand des Lebens dient,
schafft die Natur in „Fülle“ - weit über das Notwendige hinaus.

Der Schöpfungspsalm besingt voller Jubel den Reichtum der Natur:
„Herr, wie zahlreich sind deine Werke! /
Mit Weisheit hast du sie alle gemacht,
die Erde ist voll von deinen Geschöpfen. 
Da ist das Meer, so groß und weit,
darin ein Gewimmel ohne Zahl: kleine und große Tiere...
Sie alle warten auf dich, daß du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit.“

Stille

Und der Hunger, der unzähligen Menschen den Tod bringt???
Wissenschaftler sagen: Unsere Erde kann alle Menschen
und noch viele mehr ernähren.
Der Hunger ist einzig und allein die Folge
von Gier, Egoismus, Gewinnstreben
und auch von Bequemlichkeit und Unfähigkeit.
- Wir wissen, daß es unsinnig ist, die Meere leer zu fischen -
  und doch lassen wir es zu.
- Wir wissen, daß verschmutzte Meere das Leben im Wasser vernichten,
  und doch fließen unsere Abwässer immer noch großenteils ins Meer,
  und doch benutzen wir selbst Unmengen von Plastik,
  das schließlich das Meer verseucht.
- Wir wissen, daß vieles von dem, was wir „billig“ erwerben,
  von Menschen produziert wird,
  die zu „Hungerlöhnen“ (wörtlich zu nehmen!) arbeiten müssen.
  Und doch kaufen wir so billig wie möglich ein.
- Andererseits wissen wir, daß Preise künstlich hoch getrieben werden
  (z.B. durch die Vernichtung von Lebensmitteln),
  und doch wehren wir uns nicht. 
- Wir wissen schließlich, daß Gottes Natur ein Geschenk für uns alle ist.
  Und doch weigern wir uns, die Gaben der Natur redlich zu teilen.

Es ist zwar auch ein Geschenk Gottes, daß wir mitwirken dürfen
an der Ausgestaltung Seiner Schöpfung.
Wir müssen jedoch mitwirken im Sinne des Schöpfers selbst,
im Dienst an der Schöpfung und im Dienst an den Menschen.
Alles andere ist letztlich Mißbrauch
und läuft auf die Zerstörung von Leben und Natur hinaus.
So sind etwa Mastställe ein schlimmes Beispiel von Mißbrauch:
Sie produzieren zwar Fleisch in Massen, aber eben nicht in „Fülle“!

Stille

Auf diesem Hintergrund betrachten wir noch kurz die biblischen Texte :
•    Wir erinnern uns an die Brotvermehrung Jesu:
Diese Brotvermehrung ist wirklich ein „Wunder“,
das durch ein Kind angestoßen wird.
Das hatte fünf Brote und zwei Fische dabei
und stellte alles Jesus zur Verfügung - für die anderen.
So begann ein Wunder des Teilens und steckte an,
bis schließlich sogar zwölf Körbe übrig blieben –
fürwahr ein Zeichen der Fülle.

•    Erinnern wir uns auch an den „reichen Fischfang“,
der von den Evangelien gleich zweimal überliefert ist:
einmal steht er für die Fülle des Reiches Gottes, die zu verkünden,
die Fischer von Jesus in Seine Nachfolge berufen werden.
Der zweite Bericht steht für die Fülle neuen Lebens,
das uns durch Tod und Auferstehung Jesu geschenkt ist.
Beide Berichte vom reichen Fischfang verlieren ihre Aussagekraft,
wenn es durch unsere Schuld gar keine Fischschwärme mehr gibt.
Dann wird sowohl die Lebensbotschaft der Natur,
wie auch die Lebensbotschaft Jesu inhaltsleer.

Stille

•    Schauen wir schließlich noch einmal
auf das Evangelium der Hochzeit zu Kana.
Als erstes Zeichen verwandelt Jesus
zu Beginn Seines Wirkens Wasser in Wein.
„Der Wein erfreut des Menschen Herz“ - dieses Psalmwort
ist so etwas wie der Notenschlüssel für das Evangelium,
also für die froh machende, Freude in Fülle schenkende Botschaft Jesu.
Jesus ist kein bitterernster Asket.
Er versteht es, Feste zu feiern, und Er weiß:
Die Freude ist unabdingbar für ein wahrhaft menschliches Leben.

Unser Dank am Erntedankfest ist also nicht zuletzt
ein Dank für die Freude, die uns in allen Gottesgaben geschenkt wird:
„Du krönst das Jahr mit deiner Güte,
deinen Spuren folgt Überfluß. 
In der Steppe prangen die Auen,
die Höhen umgürten sich mit Jubel. 
Die Weiden schmücken sich mit Herden,
die Täler hüllen sich in Korn. Sie jauchzen und singen.“ (Ps. 65) 
Und nicht zuletzt:
„Der Wein erfreut des Menschen Herz“ (Ps. 104)
Danke! Danke! Danke Amen!