Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis (C)
am 22. August 2004 und am 26. August 2007
Zum Evangelium: Lk. 13, 22 - 30
Autor: P.Heribert Graab S.J.
Wie so oft ist das Evangelium heute 
reichlich spannungsgeladen:

Es geht mal wieder um den Kern der Botschaft Jesu Christi,
es geht um die Botschaft vom „Reich Gottes",
es geht konkret um die Frage: 
Wer kommt da rein? Und wie?

Fangen wir „von hinten" an.
Da heißt es:
„Man wird von Osten und Westen,
und von Norden und Süden kommen
und im Reich Gottes zu Tisch sitzen."
Da klingt also das alte biblische Motiv 
der Völkerwanderung zum Gottesberg Sion an.
Menschen aus allen Völkern und allen Religionen
rund um den Erdball machen sich auf den Weg
und sind willkommen in der Heiligen Stadt Gottes.

Im Neuen Testament knüpft die Offenbarung des Johannes 
an dieses Bild an:
Das berühmte 21. Kapitel beschreibt Gottes Stadt 
in all ihrer einladenden Schönheit
und sagt: 
„Die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie...
Und die Völker werden in diesem Licht einhergehen,
und die Könige der Erde werden ihre Pracht
in die Stadt bringen.
Ihre Tore werden den ganzen Tag nicht geschlossen!"

Seit dem Mittelalter hatte man die Idee,
eine christliche Kirche müsse hier schon
die kommende Stadt Gottes, Sein Reich abbilden.
Auf unterschiedliche Weise und in einer vielfältigen Symbolsprache
bringen die Baumeister unserer Kirchen dies zum Ausdruck.
Ein Aspekt dieser Symbolsprache
sind die vielen und großen Portale unserer Kirchen,
die im Sinne der Offenbarung ‚"den ganzen Tag offen stehen" müssen,
um die Menschen in großen Scharen in „Gottes Stadt" einzuladen.
In diesem Sinne steht unsere Kirche St.Michael 
sehr bewußt den ganzen Tag offen.
Und eigentlich müßten wir unsere schweren, metallbeschlagen Türen
auswechseln gegen solche aus Glas,
damit etwas von der Wärme und Geborgenheit des Hauses Gottes
auch nach außen hin spürbar wird und einladend wirkt.

Nun gerät diese Offenheit aber durch ein weiteres Bild 
des heutigen Evangeliums in arge Bedrängnis:
Da ist die Rede von einer „engen Tür",
durch die man sich „hindurchkämpfen" muß,
um ins Gottesreich zu kommen.
(Im griechischen Text heißt es: „agonízesthe".
Das wird in der Einheitsübersetzung wiedergegeben
mit „Bemüht euch mit allen Kräften".
Wörtlich jedoch müßte man sagen: „Kämpft" -
Kämpft euch hindurch!)

Und dann wird auch noch gesagt:
Irgendwann stehe der Herr des Hauses auf
und schließe die sowieso schon enge Tür zu:
„Dann steht ihr draußen, klopft an die Tür
und ruft: Herr, mach uns auf!
Er aber wird euch antworten:
Ich weiß nicht, woher ihr seid."

Wie paßt das nun alles zusammen:
Die weit geöffneten Tore und die enge Tür?
Auch die großen Protale unserer Kirchen,
die leider mehr und mehr verschlossen sind?
Und die offenen Kirchen,
in die die Menschen keineswegs in hellen Scharen strömen?

Erinnern Sie sich noch an die einleitende Frage unseres Evangeliums:
„Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?"
Und ist Ihnen aufgefallen,
daß Jesus auf diese Frage überhaupt keine Antwort gibt?

Jesus läßt sich nicht auf Zahlenspielchen ein.
Wohl aber nennt er Kriterien und Maßstäbe 
für den Eintritt in das Reich Gottes.
Jedenfalls macht Er deutlich:
Die Teilhabe am Reich Gottes wird euch nicht
nach Discountermanier hinterher geworfen.
Ihr liegt falsch, wenn Ihr Gott verwechselt 
mit dem „billigen Jakob" oder mit ALDI.
Ihr könnt auch nicht pochen auf eure Leistung, 
die ihr vielleicht erbracht habt:
• Ich bin doch ein „anständiger Christ".
• Ich habe schließlich niemanden umgebracht.
• Ich bin sogar Sonntag für Sonntag in der Messe gewesen.
• Und meine Kirchensteuer habe ich auch regelmäßig bezahlt.

Im Reich Gottes zählt nicht „Leistung",
die hier in unserer Gesellschaft das menschliche Miteinander
mehr und mehr kaputt macht.
Im Reich Gottes zählt erst recht nicht
Größe, Macht und Ansehen.

Das Bild von der „engen Tür" könnte uns einen Tip geben:
Nur die Kleinen passen durch,
und diejenigen, die sich mit den Kleinen und für die Kleinen
klein machen.
Nicht von ungefähr sind es ja gerade „die Kleinen",
die Jesus nicht müde wird, selig zu preisen:
Die Zöllner und Sünder,
die Kranken und Bettler,
die Weinenden und Trauernden,
und nicht zuletzt die Kinder:
„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder,
könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen."

Es reicht nicht aus, Jesus zu kennen, mit Ihm zu Tische zu sitzen
und Seine Worte zu hören.
Nach dem Matthäusevangelium sagt Jesus: 
„Wer meine Worte hört und danach handelt, 
ist wie ein kluger Mensch, der sein Haus auf Fels baute."
Wer Jesus nur kennt und sich verbal zu Ihm bekennt - 
ohne praktische Konsequenzen, 
der hat auf Sand gebaut!

Vielleicht sind wir in der Kirche
- als Gegenreaktion gegen moralinüberfrachtete Predigten der Vergangenheit -
insgesamt zu anspruchslos geworden?!

Das Bild von der engen Tür hat Jesus übrigens 
bei anderer Gelegenheit ins fast Unerträgliche zugespitzt:
Alle drei synoptischen Evangelien überliefern das Jesuswort
„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, 
als daß ein Reicher in das Reich Gottes gelangt."

Diese Zuspitzung sollte uns nachdenklich machen
und den Verdacht aufkommen lassen,
Kirche habe sich vor den Karren 
ausgerechnet der Reichen und Mächtigen spannen lassen,
wenn sie in der Geschichte immer wieder
den kleinen Leuten predigte,
ihnen Angst vor der „engen Tür" einjagte
und sie so für die Großen lenkbar machte.

Natürlich hat auch ein Armer keine garantierte Eintrittskarte für das Reich Gottes;
natürlich kann auch ein Armer seine Hütte auf Sand bauen.
Aber ich denke,
Jesus hat ganz andere Kaliber vor Augen.
Er würde heute wahrscheinlich jene auf‘s Korn nehmen, 
deren Bibel die Börsenkurse sind
und die den Aktienkurs in die Höhe treiben,
nur weil ein Unternehmen Tausende von Mitarbeitern
in die Arbeitslosigkeit entläßt;
oder diejenigen, die die Situation im Irak zum Anlaß nehmen,
aus puren Gewinnabsichten mit Öl zu spekulieren,
die Preise künstlich in die Höhe zu treiben -
ohne Rücksicht auf die Menschen.
Zu Jesu Zeiten hat man in ähnlicher Weise mit Brotgetreide spekuliert
und sich Jesu Zorn zugezogen.

All diesen Spekulanten und Wirtschaftsbossen
wird man mit der „engen Tür" wohl kaum beikommen.
Da ist das Wort vom Kamel und dem Nadelöhr
schon um einiges angemessener,
obwohl auch dieses Wort eher auf taube Ohren stößt.

Aus Jesu Perspektive wird die Folge
„Heulen und Zähneknirschen" sein.
Allerdings sagt Jesus auch in einem solchen Kontext keineswegs 
- so als wär‘s schon ein ausgemachtes Faktum -
Die werden nicht ins Himmelreich hineinkommen!

Vielmehr geht‘s Ihm um die sehr ernst gemeinte Mahnung:
Bemüht euch mit allen Kräften hineizukommen!
Kämpft mit harten Bandagen gegen euren eigenen Größenwahn!
Denn, wenn‘s hart auf hart kommt,
„werden manche von den Letzten die Ersten sein
und manche von den Ersten die Letzten."

Amen.