Predigt zum
dritten Sonntag in der Osterzeit (B) am 26. April 2009 |
Evangelium: Lk. 24, 35 - 48 Autor: P.Heribert Graab S.J. |
Diese Predigt spricht vom "neuen" österlichen Menschen, der zugleich der "alte" Mensch ist - "verwandelt" und neu geschaffen. Einen wesentlichen Aspekt dieser österlichen "Verwandlung" verdeutlicht sehr gut eine Predigt zum gleichen Sonntag von P.Christoph Soyer S.J., Kaplan an Sankt Michael in Göttingen. |
Unerhörtes berichten diese
Osterevangelien!
Kein Zweifel kann daran bestehen, daß dieser Jesus von Nazareth am Kreuz auf Golgotha starb, daß Er tot war - mausetot! Soweit - ein alltägliches Geschehen! Dann aber bezeugen Seine Freunde: • Dieser Jesus lebt! Er ist uns erschienen! • Wir konnten Ihn berühren. • Er hat mit uns gegessen. • Gott hat Ihn von den Toten auferweckt! Diese doch wirklich frohe Botschaft ging den Menschen damals gegen den Strich, wie sie ihnen auch heute gegen den Strich geht. Manchmal frage ich mich, warum das so ist. Vielleicht spielt da die Angst eine Rolle: • möglicherweise die Angst, enttäuscht zu werden; • vermutlich mehr noch die Angst, sich restlos auf einen anderen, auf Gott zu verlassen, anstatt auf etwas Greifbares, auf etwas aus eigener Erfahrung und durch eigene Schlußfolgerung Be-greifbares. Jedenfalls war der Glaube an eine “Auferstehung von den Toten” für Juden zur Zeit Jesu keineswegs selbstverständlich: • In der hergebrachten Tradition Israels hatte er keinen Platz - da galt als Inbegriff göttlichen Segens ein langes Leben hier. • Und eine der einflußreichsten Gruppen des Judentums, die Sadduzäer, lehnten auch nur den Gedanken an ein “Auferstehung” mordicus ab. “Moderne” und aufgeklärte Juden folgten auch dem hellenistischen Gedankengut der heidnischen Umwelt ihrer Zeit. Da unterschied man zwischen dem materiell-sterblichen Leib des Menschen und seiner geistig-unsterblichen Seele. Vielleicht vermischten sich bei den Jüngern diese dualistischen Vorstellungen mit dem überlieferten Geisterglauben, als Jesus an diesem Ostertag in ihre Mitte trat. So erschraken sie zutiefst und wurden von der Angst gepackt, einen Geist vor sich zu sehen. Solche Ängste wirken - auch unter Christen - nach bis auf den heutigen Tag. Wer geht schon abends gerne über einen Friedhof?! Mögen wir auch sonst noch so aufgeklärt sein - auf dem dunklen Friedhof beschleicht uns die Angst vor Begegnungen mit “Geistern von Verstorbenen”, mit “armen Seelen”. Auch solche Ängste rühren nicht nur von Resten heidnischen Geisterglaubens. Auch da wirkt sich vielmehr der enorme Einfluß aus, den der Dualismus hellenistischer Denker auf die christliche Glaubensüberlieferung ausgeübt hat und noch ausübt. Diesem Dualismus “verdanken” wir die Vorstellung von einer unsterblichen Seele, die nach dem Tod des Menschen weiterlebt, während die “Auferstehung” (des Leibes) verschoben ist auf den “Jüngsten Tag” am Ende dieser Weltzeit. Erstaunlich an solchen Vorstellungen ist nun in meinen Augen folgendes: Offenkundig waren in der Vergangenheit viele Theologen dermaßen vom Menschenbild des Platon und seiner Schüler fasziniert, daß sie sich schwer taten, die Auferstehungszeugnisse des Evangeliums mit biblischen Augen zu lesen. Das biblische Menschenbild ist - im Unterschied zum hellenistischen Menschenbild - durch und durch ganzheitlich; man könnte in unserer heutigen Sprechweise sagen, das biblische Menschenbild sei “personal”. Wenn ein Mensch stirbt, dann stirbt nach biblischem Verständnis der ganze Mensch. Die Heilige Schrift kennt kein Weiterleben einer “unsterblichen Seele”. Die Bibel nimmt den Tod wirklich ernst als den radikalen Abbruch dieses Lebens. Anders ausgedrückt: Im Tod ist die Zeit des menschlichen Lebens abgelaufen. Auf diesem Hintergrund eröffnet das Ostergeschehen eine vollkommen neue Dimension. In der Auferstehung erschafft Gott den Menschen neu, Er erschafft ihn zu einem neuen Leben - nicht in der Zeit, sondern in Gottes Ewigkeit. Diese Ewigkeit ist nicht eine bis ins Unendliche verlängerte Zeit, sondern etwas ganz anderes als Zeit, etwas für uns Unvorstellbares, da unsere Vorstellungen ganz und gar von der Zeit bestimmt sind. Ein “nach dem Tod” gibt es also nur für uns, die wir noch in der Zeit leben. Für den von Gott Auferweckten gibt es kein “Nach”, sondern nur ein ewiges “Jetzt”. Dementsprechend fallen “Tod” und “Auferweckung” und “Jüngster Tag” aus der Perspektive der Ewigkeit Gottes in eins zusammen. Und nun lohnt es sich, das Osterevangelium dieses Sonntags noch einmal ganz neu zu lesen. Der Auferstandene, oder sagen wir besser: Der in Gottes Ewigkeit hinein Auferweckte ist herausgenommen aus Raum und Zeit. Das kann man für Menschen, die in Raum und Zeit “befangen” sind, nur bildhaft und in analoger Sprache zum Ausdruck bringen: Der Auferweckte kommt durch verschlossene Türen. Er ist “gleichzeitig” hier und dort: • Er erscheint den Frauen am leeren Grab; • Er begleitet die beiden Jünger auf ihrem Weg nach Emmaus; • eilig nach Jerusalem zurückgekehrt erfahren die Emmausjünger: Er ist auch dem Simon erschienen. • Und jetzt tritt Er in ihrer aller Mitte. Es ist nicht erforderlich, all die Erscheinungen des Auferstandenen mühsam in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen. Er ist unabhängig von Raum und Zeit! Und doch ist er kein “Geist”: • Er läßt sich berühren. • Sie sehen Ihn mit “Fleisch und Knochen”. • Er ißt vor ihren Augen ein Stück gebratenen Fisches. • Er pocht mit all dem auf eine ganzheitliche Sicht des Menschen. Der stirbt “mit Haut und Haaren” und “mit Leib und Seele”. Der wird aber auch ganz und gar auferweckt in das neue österliche Leben. Zugleich jedoch ist dieser “neue” österliche Mensch der “alte” Mensch, den Seine Freundinnen und Freunde aus ganz vielen gemeinsamen Erlebnissen kennen: • Wie immer schon grüßt Er sie mit dem vertrauten Gruß “Friede sei mit euch!”. • Er zeigt ihnen Seine Hände und Füße: Die Wunden Seines Lebens sind nicht einfach “weg-verklärt”. Er ist es wirklich - Er, der Gekreuzigte. • Er knüpft in der ihnen vertrauten Art und Weise an das an, was Er immer schon gesagt und getan hat: Er lehrt sie; Er erschließt ihnen die Schrift; Er sendet sie aus als Zeugen dessen, was sie gesehen, gehört und erlebt haben. Durch diesen neuen Blick auf die Ostergeschichte wird sie für mich erst zur wirklich frohen und frohmachenden Botschaft: Ich denke an das Wort des Paulus: “Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. (1.Kor. 15, 20) Das heißt: • Wir selbst sind von Gott berufen, Christus nachzufolgen - nicht nur in diesem Leben, sondern auch in Sein neues Leben in Gottes Ewigkeit. • Wir werden mit Ihm auferstehen mit allem, was wir sind, und was uns als Person ausmacht, also - traditionell gesprochen - “mit Leib und Seele”. Mehr noch: Wir werden erst richtig zu uns selbst kommen. • Wir werden nicht nur Ihn erkennen, wie Er ist, sondern auch uns selbst und einander. Wir werden also einander wiedersehen und wiedererkennen. Auf Grund dieses Osterevangeliums glaube ich auch daran, obwohl das nicht ausdrücklich Lehre der Kirche ist. • Und ganz wichtig ist mir: All die Verletzungen und Wunden dieses Lebens und alle Mühen, Lasten und Enttäuschungen, die uns in diesem Leben geprägt haben, werden nicht einfach weggeblasen und vergessen sein. Sie gehören wesentlich mit dazu und werden in der Auferstehung “verwandelt” sein durch die Liebe des Schöpfergottes, der von sich sagt: “Seht, ich mache alles neu!” (Offb. 21, 5) Amen. |